Die Fehler der anderen – von Hightech und Huren

Posted on 21. April 2012

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Adresse zwischen Hightech und Rotlicht - die neue ADAC-Zentrale, rechts daneben das FraunhoferlHochhaus. Foto: ADAC

Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Die „Süddeutsche Zeitung„, die sehr viel Wert auf korrekte Berichterstattung legt, hat in ihrer Wochenendausgabe über die Münchner Hansastraße berichtet. Ein heißes Pflaster, wo neben der großen Fraunhofer Gesellschaft seit Neuestem auch der – noch größere – ADAC seinen Hauptsitz hat, aber ebenfalls – und das ist das Besondere dieser bunten Adresse – Spielhöllen, Kleingärten, Szene-Restaurants, Jugendkulturstätten, Handwerker,  Sexbars und mehrere Bordelle. Alles in einem Umkreis von etwa 300 Metern. Zweifellos ein Thema für eine Lokalreportage. Doch darf der Lokalreporter sich so sehr von Buntem blenden lassen, dass die Fakten, über die er berichtet, zur Nebensache werden? Denn gleich zu Beginn derSZ-Reportage steht der Satz: „Nebenan thront das Fraunhofer-Hochhaus mit seiner grünverspiegelten Fassade. In diesem Institut, so geht die Legende, haben sie mal den MP3-Player entwickelt und die Entwürfe dann so lange im Keller verstauben lassen, bis die Asiaten damit groß rausgekommen sind.“.

Daran stimmt fast gar nichts. Weder wurde der MP3-Player hier entwickelt, noch der Softwarestandard MP3. MP3 stammt – immerhin fast richtig – aus einem Fraunhofer-Institut, aber dem Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen. Er verstaubte auch nicht im Keller, sondern wurde mit kräftigem Engagement der Fraunhofer-Forscher zu einem internationalen Standard entwickelt, der – nicht aus Asien, sondern aus den USA – per Internet seinen Siegeszug durch die digitale Welt antrat und die Musikindustrie revolutionierte. Es sind eben auch nicht die Asiaten, sondern Apple, die heute den Markt der MP3-Player dominieren.Und verstaubt ist auch nichts: Die Fraunhofer-Gesellschaft kassiert Millionen an Lizenzgebühren.  Soweit die Fehler in einem einzigen Satz. Das ist kein Insiderwissen, sondern heute nach vielfachen Berichten und Zukunftspreis für MP3 wohlfeiles Allgemeinwissen, das man notfalls im Internet mit wenigen Klicks recherchieren kann.

Die Frage aber stellt sich: Wie geht man als Pressesprecher mit so etwas um? Patentrezepte gibt es nicht, nur Anregungen: Der beste Leitfaden für den Umgang ist zweifellos der Humor. Stellen wir uns vor, wir wären der Fraunhofer-Forschungsprecher. Wie wäre es mit einem lockeren Brief an die Lokalredaktion, der vielleicht sogar die Chance hätte, als Leserbrief abgedruckt zu werden. Wie wäre es mit einem heiteren Anruf bei dem Autor der Geschichte? Vielleicht sogar – wenn er dazu bereit ist – eine Einladung zu einer Tasse Kaffee? Vielleicht fallen uns ja einige Themen für lockere Lokalreportagen im Umfeld Fraunhofer ein? Auch die Mikrochip-Techniker etwa wären es sicher einmal wert mit ihren Arbeiten, vor allem aber mit ihren Labors und Arbeitsbedingungen im Lokalteil dargestellt zu werden, nicht nur die Huren und Kleingärtner.

Es gibt sicher viele Wege, um mit den Fehlern der Journalisten umzugehen. Der schlechteste davon wäre, darum zu viel Aufhebens zu machen, die Sache zu ernst zu nehmen. Absichtlich hat der Journalist Fraunhofer sicher nicht in die Pfanne gehauen, er hat es eben nicht besser gewusst und nicht recherchiert (was man eigentlich erwarten dürfte). Das müsste ihm eigentlich peinlich sein. Warum nicht die Gelegenheit ergreifen, ihn sich durch gute Tipps zum Freund zu machen?

Oder aber, er war zu sehr vom Rotlicht in der Hansastraße geblendet und hat eigentlich gar kein Interesse an den Dingen, über die er berichtet, will nur locker formulieren. Auch möglich, aber das sollte eine seriöse Redaktion bald merken – und den Autor aus dem Verkehr ziehen. Fraunhofer kommt übrigens noch ein zweites Mal in der Lokalreportage vor, um damit das ernsthafte, rationale und lustlose Bild von Wissenschaft zu untermauern:“Einen vom Fraunhofer hatte ich noch nie im Bett“, zitiert der Autor eine platinblonde Prostituierte. Kleingärtner dagegen seien schon eher ihr Klientel.

Das ist nun wirklich unterste Schublade.