Oft kommt es anders, als man denkt. Wer erwartet hatte, dass die „Wahl zum Wissenschafts-Blog des Jahres“ wie üblich endet – der Sieger freut sich, die Unterlegenen sind schlecht gelaunt, aber am Ende finden sich alle damit ab – konnte sich dieses Mal gehörig täuschen. Nun gut, schon während der Wahl ging es heiß her in den Kommentarspalten, so dass ich sogar zur Ordnung rufen musste. Aber das war bestensfalls ein Vorzeichen für das, was kommen sollte.
Auf dem Blog „[sic] science & information communication“ des Kollegen Alexander Gerber entbrannte eine heftige Diskussion: Nicht über das Ergebnis der Wahl, sondern über die Kandidaten. Auslöser war ein Kommentar des Siegers, Florian Freistetter, der meinte: „Auch wenn ich diese Wahl netterweise gewonnen habe, bin ich doch ein wenig verblüfft über die zur Wahl stehenden Blogs. Wenn da schon ein “Wissenschaftsblog” gewählt wird, dann erscheint es seltsam, wenn da pseudo- und antiwissenschaftliche Blogs zur Wahl stehen… Das ist irgendwie so, als wäre ich in einer Wahl zum “Astronomen des Jahres” gemeinsam mit Erich von Däniken und Elizabeth Tessier nominiert.“
Und dann ging es los: Viele kritische Stimmen, sowohl zu Freistetter als auch zur Kandidatenliste. Ich will die Diskussion nicht nacherzählen, jeder kann sie bei Alexander Gerber nachlesen. Natürlich habe ich die Kandidatenliste verteidigt, natürlich bekam Florian Freistetter Unterstützung, natürlich nutzten andere die Diskussion, um ihre ganz speziellen Interessen zu vertreten, obwohl sie oft gar nichts mit dem Thema zu tun hatten. Ich will hier lieber versuchen, einige Schlussfolgerungen daraus zu ziehen:
Das Wichtigste zuerst: Gern folge ich der Anregung von Gerber und eröffne eine Diskussion um Auswahlkriterien und um die Bezeichnung der Wissenschafts-Blogs als „Wissenschafts-Blogs“. Wer eine Meinung hat, was Blogs zur Wissenschaft können, sollen, dürfen und nicht dürfen, der soll sie hier kundtun. Alle Meinungen, die hier in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten gesammelt werden, werden am Jahresende, bei der neuen Aufstellung der Kandidatenliste, mit eingebracht, ernst genommen und sorgfältig abgewogen. Jeder kann mitwirken. Ich verspreche aber auch heute schon, dass am Ende die Entscheidungen nicht leicht sein werden. Und natürlich wird nicht jeder mit allen Entscheidungen einverstanden sein.
Es soll hier nicht darum gehen, dass sich Blogs bewerben oder vorgeschlagen werden. Es soll um die grundlegenden Kriterien gehen, nach denen die Auswahl der Kandidaten erfolgt. Doch da tauchen ganz schnell große und schwer zu beantwortende Fragen auf. Zum Beispiel:
- Was ist Wissenschaft?
- Was ist ein Wissenschafts-Blog?
- Darf ein Wissenschafts-Blog nur die wissenschaftliche Perspektive darstellen?
- Kann er auch Kritik an Wissenschaft enthalten oder gar das, was einige Menschen als Wissenschaft verstehen, aber Wissenschaftler oft nicht?
- Gehört ein Wissenschafts-Blog zum System Wissenschaft oder zum System Kommunikation (hier: Wissenschaftskommunikation)?
- Wozu dient ein Wissenschafts-Blog?
- Soll es Mindeststandards für die Wissenschafts-Blogs auf der Kandidatenliste geben? Wenn ja, welche?
- Und wer entscheidet darüber, ob sie eingehalten sind?
- Sollen Wissenschafts-Blogs in Kategorien eingeteilt werden, und ja in welche?
- Und wer entscheidet über all dies?
Die Frage der Deutungshoheit stellt sich als zentrale Frage. In der Wissenschaft haben die Deutungshoheit zweifellos Wissenschaftler. Blogs aber gehören nicht zur Welt der Wissenschaft, sondern zur Welt der Kommunikation.
Wir werden genug zu diskutieren haben. Ich freue mich darauf.
Reiner Korbmann
23. Januar 2014
Ein guter Tipp von Beatrice Lugger (NaWik) auf Twitter, der genau zu unserer Diskussion passt: @wissimdialog @helmholtz_de Sogar mit dem heißen Thema: Wissenschaft und Umgang mit Esoterikern. http://t.co/6I9ua9YJOE
Als Antwort auf: Die neue #Helmholtz-Perspektiven 0114 http://t.co/fXOSyx0U90 ist auch in der Online-Ausgabe da!
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Wilhelm Leonhard Schuster
22. Januar 2014
„Wer entscheidet über all DIESES?…
Dies scheint mir eine zentrale Frage zu sein.
Ich erinnere daran, daß die westliche Presse des vorigen Jahrhunderts
im wesentlichen ,was die Meinungsbildung anlangte , zentral von wenigen Personen gesteuert worden ist und einen enormen politischen Einfluß ausgeübt und über Krieg und Frieden entschieden hat.
(Ob in Deutschland, England oder Amerika ist unerheblich.)
Mir scheint, es sind Bestrebungen im Gange,die ähnliches per Blog-System im
21 Jahrhundert weiterführen wollen.
Blogs gibt es a Mass! (auch:“ Meinen Blog “ aber wer liest den schon!)
So mancher versucht über das „Hintertürchen“: Wissenschaft,einen „Meinungsführerschaftlichen“ Vorteil zu ergattern.
FF will sogar „Wissenschaftliche Zeitschriften“ durch das „Blogsystem“ ersetzt wissen.
Nun , wir werden sehen, wie sich die „Sache Blog“ und „Meinungsfreiheit“,sowie Kommunikation und Wissensvermittlung weiterentwickelt.
Blog Päpste ante Portas?
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Reiner Korbmann
22. Januar 2014
Lieber Herr Schuster, halten Sie sich auch für einen der wenigen Blog-Meinungsmanipulatoren? Sie haben ja schließlich einen. Oder erkennen Sie an Ihrem eigenen Blog, dass im Internet jeder die Möglichkeit hat, einen Blog aufzumachen und weltweit seine persönliche Meinung zu verbreiten? Das ist der große Unterschied zum vorigen Jahrhundert. Wer aber leidet, dass zu wenige Menschen seine Meinung lesen, der kann doch nicht die anderen dafür verantwortlich machen, sondern muss sich eher selbst fragen, ob mit seinem Blog etwas nicht stimmt.
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Peter Heller
20. Januar 2014
Was ist Wissenschaft?
Im Kontext der Intention der Wahl zum Wissenschaftsblog alles, was dem Erkenntnisgewinn dient und sich einer formalen Methodik (der „Forschung“) bedient, um diesen zu ermöglichen.
Dabei steht bei dieser Methodik die Falsifikation im Mittelpunkt, also das Ausschließen alternativer Erklärungen. Es geht bei Wissenschaft weit weniger um die Bestätigung von Arbeitshypothesen, wie Vorgänge zusammenhängen, sondern darum, welche alternativen Erklärungen nach gegenwärtigem Wissensstand ebenfalls nicht verworfen werden können.
An dieser Stelle sind Themen wie Kreationismus oder Astrologie und andere esoterische Gebiete einfach ausschließbar. Denn diese genügen nicht solchen Kriterien, weder hinsichtlich der grundsätzlichen Falsifizierbarkeit, noch hinsichtlich der verwendeten Methoden.
Wissenschaft fragt dabei nicht nach der Legitimität einer Hypothese oder Theorie innerhalb von Wertesystemen, die außerhalb der Wissenschaft stehen. Wissenschaft verwirft also bspw. die Evolutionstheorie nicht deswegen, weil sie der Bibel widerspricht.
Wissenschaftsblogs sind solche, die sich mit Wissenschaft im obigen Sinn befassen. Sie sind dabei nicht zwingend selbst Teil der Wissenschaft, weil in Blogs in der Regel keine Forschung betrieben wird. Blogs können über Wissenschaft (respektive Forschung) berichten oder solche kommentieren, interpretieren und unter verschiedenen Gesichtspunkten erläutern.
Kriterien für die Nominierung können daher Fragen der äußeren Form sein, wie ich sie unten bereits beschrieben habe. Eine Abstimmung zum Wissenschaftsblog des Jahres sollte aus meiner Sicht wesentlich das Engagement der Blogger selbst und deren Ideen und Konzepte über Kommunikation zum Inhalt haben.
Die Nominierungen zu einer solchen Abstimmung von Fragen der „Legitimität“ bestimmter Positionen abhängig zu machen, wäre allerdings nach oben Gesagtem unwissenschaftlich. „Legitimität“ ist eine Frage individueller, rein subjektiver Bewertungen (die übrigens nicht falsifizierbar sind). Auch die Abstimmung selbst sollte tunlichst nicht in eine Auseinandersetzung über Legitimität verwandelt werden. Denn das wäre für die Sache selbst, also für die Förderung der Wissenschaftskommunikation in Deutschland, sehr schädlich.
Ich werte diese ganze Diskussion im Prinzip als eine Reaktion auf einige wenige Blogger, die genau dies versuchen. Ich verstehe nicht, Herr Korbmann, warum Sie diesen Einzelmeinungen so viel Bedeutung beimessen. Auf der anderen Seite ist natürlich eine solche Debatte, so wenig zielführend sie auch sein mag, immer ein Garant für zusätzliche Aufmerksamkeit und dies ist die eigentliche Währung, in der jede Art von Kommunikation letztendlich bezahlt wird.
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Reiner Korbmann
22. Januar 2014
Lieber Herr Heller, Ihre Definition von Wissenschaft ist mir neu. Und sicher diskutierenswert. Wenn ich sie richtig interpretiere, geht sie in Richtung „Alles ist denkbar, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist. Dann wäre auch die These „Gott hat das Universum erschaffen“ eine wissenschaftliche These. Ob da alle einverstanden sind?
Ich denke aber, es geht bei der Frage Wissenschafts-Blogs nicht darum, was Wissenschaft ist und was nicht. Ich denke, Wissenschaftskommunikation hat auch die Aufgabe, Strömungen und Entwicklungen in der Gesellschaft wahrzunehmen und darauf in Auftrag und Namen der Wissenschaft zu reagieren. Und wenn viele Menschen etwas für Wissenschaft halten, was – nach Ansicht der Wissenschaft – keine Wissenschaft ist, sondern z.B. Ideologie, dann muss Wissenschaft auch dies wahrnehmen und in ihrer Kommunikation berücksichtigen. Deshalb möchte ich die Auswahl nicht gern davon abhängig machen, wie man Wissenschaft definiert.
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Soeren Hader
22. Januar 2014
Aber kommt man überhaupt um die Definitionsfrage herum, wenn man einen Preis wie den Wissenschaftsblog des Jahres auslobt? Ginge es um die Wahl des „Blog des Jahres“ wäre die Sache ja relativ einfach. Da kann man thematisch wirklich alles mit reinnehmen. Aber bei der jährlichen Sportlerwahl erwartet man in der Liste auch nicht unbedingt einen Sportreporter oder den Bundesinnen- oder Verteidigungsminister, obwohl Letztere wirklich viel für den hiesigen Sport tun. Oder beim Auto des Jahres ein Fahrrad oder eine Parkuhr. Es ist schon in der bisherigen Diskussion deutlich geworden, das die Trennung bei weitem nicht so klar ist, wie in den genannten Beispielen. Aber weil eine solche Definition schwerer zu formulieren ist, heißt das ja nicht, das man es gar nicht erst probieren sollte. Aus dem „nicht gern“ meine ich schon rauszuhören, das Sie zwar gerne darauf verzichten würden, aber wenn es angebracht ist, man sich davor auch nicht drücken kann. Zumindest meine höchstpersönliche Interpretation. 😉
Ich teile im übrigen Ihre Einschätzung, dass die Wissenschaft auch reagieren muss, wenn viele neue Blogs in Reaktion auf die Wissenschaft entstehen, die sie aber nicht als wissenschaftlich einsortiert. Ich denke, dass das auch ein Thema für Wissenschaftsjournalismus ist, wenn sich daraus ein Trend entwickelt und man auch darüber berichten sollte.
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Reiner Korbmann
23. Januar 2014
Ich denke, viele Leute verstehen unter Sport etwas ganz anderes, als sich die Sportverbände träumen lassen, manche zählen auch Sudoku dazu.
Aber Sport ist ein gutes Beispiel für eine Entwicklung, die ich – in anderen Gefilden – irgendwie ähnlich auch für die Wissenschaft kommen sehe: Er ist vom fairen Leistungsvergleich zur Unterhaltungsindustrie mutiert. Ganze Sportarten wurden verändert, siehe etwa Biathlon oder zuletzt das Ringen, weil die Sportart für die Zuschauer bzw. die Zuschauer der Geldgeber (der TV-Anstalten!) nicht mehr attraktiv waren. Was wenn Forschung – nur als Beispiel – für die Wähler der Geldgeber nicht mehr attraktiv ist, um ihr all die Finanzen und die Privilegien, die sie braucht, zu geben, wenn wissenschaftliche Gremien nach politischen Gesichtspunkten zusammengestellt werden müssen, derart besetzte Ethikkommissionen darüber entscheiden, ob Geld in die Erforschung einer Alterserkrankung oder eines Fitnessmittels für Arbeitnehmer gesteckt wird? Ich bin sicher, dass es nicht so kommt, aber die Entwicklung in der Gesellschaft geht in Richtung auf Partizipation von nicht-wissenschaftlichen Interessen. Wissenschaft kann daran nicht vorbei gehen, eine wichtige Aufgabe von Wissenschaftskommunikation ist es, dies wahrzunehmen und in das eigene Handeln mit einzubeziehen.
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Peter Heller
23. Januar 2014
Vielleicht habe ich mich unglücklich ausgedrückt.
„Gott hat das Universum erschaffen“ ist keine wissenschaftliche These. Obwohl bspw. Theologen ganz sicher darauf beharren werden, Wissenschaftler zu sein.
„Wenn Gott das Universum erschaffen hat, kann man xyz beobachten.“ wäre eine wissenschaftliche These. Weil diese der wissenschaftlichen Methodik, der Forschung, zugänglich wäre. „Da wir xyz beobachten, hat Gott das Universum erschaffen“ ist wiederum keine wissenschaftliche Aussage. „Da wir xyz beobachten, können wir Gott als Erschaffer des Universums nicht ausschließen.“ wäre aber wieder eine wissenschaftliche Aussage.
Viele Wissenschaftler, selbst solche, die sich fachlich mit der Evolutionstheorie befassen, haben ja überraschenderweise kein Problem mit ihrem Glauben.
Wissenschaft hätte also die Aufgabe, ein Kriterium abc zu finden, das Gott als Erschaffer des Universums eindeutig ausschließt, wenn man es denn beobachten respektive belegen kann (aus meiner Sicht sind dies übrigens die Mechanismen der Evolution – aber da sieht man mal, wie interpretierbar das alles ist). Beweisbarkeit mag in formalen logischen Systemen (Mathematik) gegeben sein (aber selbst dort gibt es damit Probleme, s. Gödel). In der Wissenschaft geht es um Falsifizierbarkeit.
Wenn man genau hinschaut, mache ich also wirklich einen Unterschied zwischen Astrologie (Elisabeth Tessier) und Prä-Astronautik (Erich von Däniken), um mal die beiden Beispiele von Herrn Freistetter aufzugreifen. Aber das führt jetzt wahrscheinlich zu weit vom Thema weg.
Sie schreiben:
„Deshalb möchte ich die Auswahl nicht gern davon abhängig machen, wie man Wissenschaft definiert.“
Aber das sehe ich doch ganz genau so. Ich wollte mich halt auch nur den Fragen stellen, die Sie oben im Artikel aufwerfen.
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Füsikus
19. Januar 2014
Sehr geehrter Herr Korbmann,
ich habe gerade ihren Blogbeitrag https://wissenschaftkommuniziert.wordpress.com/2012/09/24/marketing-oder-kommunikation-wie-wissenschaft-kommunizieren-sollte/ gelesen. Hochinteressant, dass nahezu alles, was ich unter Wissenschaftskommunikation verstehe, laut Meyer-Guckel eher „Wissenschaftsmarketing“ ist, das war mir so vorher nicht klar. Unklar ist mir aber noch, wie denn gute Wissenschaftskommunikation jenseits von reinem Wissenschaftsmarketing in der Praxis aussieht.
Was halten Sie davon, nächstes Jahr mal Blogs zur Wahl zu stellen, die diese Form von Wissenschaftskommunikation beispielhaft ausüben? Es ist ihr Preis, ihr Anliegen, ihr Blogthema, das scheint perfekt zu passen und den gordischen Knoten zu durchhauen. Sie und Her Meyer-Guckel können ja eine Vorauswahl treffen.
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Soeren Hader
19. Januar 2014
Hallo Füsikus, ein interessanter Punkt, den Sie da ansprechen. Eine ähnliche Problematik und Diskussion darüber gibt es bei der Unterscheidung von journalistischen Texten und Marketingtexten. Oft verschwimmen da die Grenzen. Klar, wenn beispielsweise Wissenschaft auf den Marktplatz geht, dann ist das Marketing (im positiven Sinne).
Ich verorte Wissenschafts-Blog eher im Bereich Journalistik, auch wenn das keine professionelle Journalisten in erster Linie betreiben. Aber der Nachteil von Marketing ist, das sie nichts zu einer kritischen Betrachtungsweise von Wissenschaft beitragen kann und die ist genauso wichtig, wie das Begeistern von Wissenschaft. Blogs hingegen können beides, begeistern aber auch kritisch hinschauen.
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Reiner Korbmann
19. Januar 2014
Der Gastbeitrag von Meyer-Guckel ist tatsächlich sehr interessant und schafft Grundlagen für die Diskussion, die wir hier führen. Zunächst einmal ist „Wissenschaftsmarketing“ ja gar nichts Negatives. Es ist wichtig, dass die Wissenschaft ihre Sicht der Welt und der Gesellschaft darstellt und versucht, die Menschen zu überzeugen. Nur: Dies ist nur ein Teil von Kommunikation. Kommunikation ist zweiseitig, das bedeutet, dazu gehört auch zuhören, auf den anderen eingehen, sich mit seinen Sichtweisen ernsthaft zu beschäftigen.
Ich fürchte, wenn wir die Blogs suchen, die dies schon „beispielhaft ausüben“ werden wir nicht viele Kandidaten zur Wahl haben. Bedenken Sie außerdem: Es gibt Hundertausende Blogs, allein in deutscher Sprache. Auch wenn sich nur ein Teil mit Wissenschaft beschäftigt, wie soll ich dies als Einzelkämpfer schaffen? Daher bitte ich um Vorschläge. Ganz abgesehen davon will ich auch die Menschen berücksichtigen, die meinen, dass „Wissenschaftsmarketing“ genügt als Wissenschaftskommunikation.
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Soeren Hader
19. Januar 2014
Sehr geehrter Herr Korbmann, Sie schreiben, dass es nur wenige Blogs gibt, die Kommunikation „beispielhaft ausüben“ und dann nicht mehr viele Kandidaten zur Wahl übrig blieben. Ich selbst vermag das gar nicht zu beurteilen. Ich würde aber eine Gegenthese aufstellen, ob es nicht manchmal besser ist, die paar wenigen positiv aus der gesamten Masse hervorzuheben, statt zu sagen, wir nehmen halt alle, die irgendwie mit Wissenschaft zu tun haben. Ich hätte noch eine Frage zu: „Auch wenn sich nur ein Teil mit Wissenschaft beschäftigt, wie soll ich dies als Einzelkämpfer schaffen? Daher bitte ich um Vorschläge.“ Wünschen Sie sich jetzt konkrete Vorschläge, also mit Namen und Adresse, oder Vorschläge nach Kriterien? Bei ersteren fürchte ich, dass genau die vorgeschlagen werden, die ein Großteil der Leser gar nicht mal als wissenschaftlich einstufen.
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Reiner Korbmann
19. Januar 2014
Einzelvorschläge bitte als Kommentar zum Wahlaufruf „Wissenschafts-Blog des Jahres 2013“ im Dezember. Da ich im Moment am Smartphone schreibe, kann ich leider nicht verlinken.
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Soeren Hader
18. Januar 2014
Um Antwort wird gebeten? Gerne. 🙂 In den Beiträgen ist schon herübergekommen, das es schwierig ist, einen Wissenschafts-Blog zu definieren, ohne vorher zu sagen, was man eigentlich unter Wissenschaft versteht. Vince Ebert, von Hause aus Physiker, sagte mal, wenn man die Vermutung hat, im Kühlschrank ist noch Bier und man schaut nach, dann betreibe man eine Vorform von Wissenschaft. Wenn man sagt, im Kühlschrank ist noch Bier und man schaut nicht rein, dann ist es Religion. Schaut jemand doch nach, findet dort keins, behauptet aber, es sei doch welches drin, dann ist der Fall klar. Es handelt sich um einen Esoteriker.
Spaßig gemeinte Worte mit einem großen Kern Wahrheit. Aber was hat das jetzt mit den Blogs zu tu?. Das ist genau der Punkt, Wissenschafts-Blogs berichten über die „Bier im Kühlschrank“-Gucker und über deren Ergebnisse. Einfach weil die Blogger das spannend finden, aber auch Ihren Lesern das in deren Welt vermitteln wollen. Zu dieser Begeisterung gehört dazu, dass sie Geschichten über die Wissenschaft schreiben, aber keine Märchen. Sie hinterfragen auch kritisch die tägliche Bier-im-Kühlschrank-Nachprüftätigkeit. Sie nehmen nichts als Selbstverständlichkeit hin, sondern haben Freude daran, dem Warum nachzugehen. Und sie bezeichnen einen Bier-im-Kühlschrank-Gucker auch so und eben nicht als Esoteriker oder Religiösen, wenn sie es selber nicht besser wissen, sondern nur spekulieren.
Es gibt auch Blogs, die berichten über die Kühlschrankhersteller, über die Bierbrauer, über die Infrastruktur, wie man das Bier in den Kühlschrank bekommt, über die Biersteuer und über die politische Frage, ob so viel Bier der Gesellschaft eigentlich gut tue oder ob man den Bier in den Kühlschrank Stellvorgang staatlicherseits mit Steuergeld, Krediten oder gar nicht fördern sollte. Diese Blogs sind toll, ehrlich. Es sollte da noch mehr von geben. Aber ich finde, es sind eben keine Wissenschafts-Blogs, sorry.
Und zu guter letzt, selbst wenn man mal weiß, was ein Wissenschafts-Blog ist, sagt einem das immer noch nicht, was ein guter Blog ist. Über Qualität kann man sich streiten und man wird nicht umhinkommen, sich all die Qualitätsvorstellungen der Blog-Leser mal anzuhören. In meinen Augen gehört beispielsweise dazu, wie geht ein Blogger mit den Kommentaren um. Oft wird manchen Blogs vorgeworfen, in ihnen stehen grauenhafte und unwissenschaftliche Kommentare. Ich fände es unfair, wenn man das einem Blog pauschal ankreidet, weil man eben zwischen dem Blogger und dem User, der die Artikel kommentiert, unterschieden muss. Spannender ist aber die Frage, WIE positioniert sich der Blogger zu den Kommentaren. Und für mich auch wichtig, wie steht es mit der sachbezogenen(!) Meinungsfreiheit? Hat der Betreiber die persönliche Größe auch all die Kommentare durchzulassen, die er nicht gutheißt oder nicht in seinem Interesse liegen? Oder versucht durch eine Vorauswahl zu treffen, ähnlich wie bei veröffentlichten Leserbriefen einer Zeitung, um eine bestimmte Stimmung im Blog zu suggerieren? Es gibt da durchaus Blogs, auch hochangesehene, deren Betreiber sich zu sehr als Wissenschaftler und Reviewer verstehen und meinen, sie müssten eine Art Qualitätskontrolle bei den Kommentaren durchführen. Ich finde das aber kontraproduktiv und widerspricht den Hauptideen der Internet-Kommunikation.
Jo, ist doch schon was zusammenkommen. 😉 Bei allen, die bis hierher gekommen sind, bedanke ich mich schon mal fürs Lesen.
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Reiner Korbmann
18. Januar 2014
Lieber Herr Hader, das Bild mit dem Bier im Kühlschrank ist schön, aber leider greift es für die Wissenschaft noch immer viel zu kurz. Da gibt es auch noch die Geisteswissenschaftler, bis hin zu den „Philosophen“, die fragen, was es bedeutet, ob Bier oder kein Bier drin ist, und ob Bier überhaupt in den Kühlschrank muss…..
Danke für ihren Vorschlag eines Qualitätskriteriums: Umgang mit Kommentaren. Auch wenn ich – im Gegensatz zu Ihnen – durchaus der Meinung bin, dass der Blogverantwortliche auch eine Verantwortung für die Kommentare hat, die er veröffentlicht (siehe Kommentar unten zu Herrn Heller), nicht nur die Schreiber der Kommentare. Ein weiterer Vorschlag von mir wäre der Umgang mit Fakten. Das ist für mich als Einzelkämpfer natürlich schwer zu überprüfen, aber wo ich es kann, will ich es tun.
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Soeren Hader
18. Januar 2014
Sehr geehrter Herr Korbmann, den Hinweis auch auf die Geisteswissenschaften finde ich wichtig. Als Absolvent eines MINT-Faches neigt man schon mal gerne dazu, diese zu vernachlässigen oder noch schlimmer, als nicht ganz gleichrangig anzusehen. Es sollte keine Geringschätzung gegenüber diesen Wissenschaftsgebieten sein, vielmehr ging es um Abgrenzungen hin zur Nichtwissenschaftlichkeit.
Eine Anmerkung zur Mitverantwortung des Blogbetreibers, das unterschreibe ich sofort was Sie sagen. Sowohl im juristischen Sinne als auch im Gesamteindruck des Blogs. Aber wenn beispielsweise in einem Blog Meinungen behindert werden, dann möchte man als Leser auch erfahren, warum. Welches Ziel wird damit verfolgt? Ich will Zensur nicht pauschal verteufeln, sondern auffordern, als mündiger Bürger genauer hinzuschauen, überall im Internet. Dann erkennt man nämlich auch, ob dahinter ehrenhafte Motive stehen, die sich auch mit guter Wissenschaftskommunikation vereinbaren lässt oder der Blogbetreiber nur seine Ansichten durchdrücken will.
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Peter Heller
17. Januar 2014
Lieber Herr Korbmann,
bislang haben Sie die Vorschlagsliste für Ihren Wettbewerb am ebuzzing-Ranking ausgerichtet. Eine bessere Idee habe ich im Prinzip auch nicht. Es gibt kaum eine andere Metrik, nach der man plausibel auswählen kann, als nach „Zugriffszahlen“ oder allgemeiner „Impakt“ (ebuzzing berücksichtigt ja auch Aktivitäten auf Facebook, Twitter usw,, die ein Blog initiiert – wer diese Kanäle nicht aktiv bespielt, ist dadurch natürlich im Nachteil).
Nach inhaltlichen Kriterien würde ich nicht schon im Vorfeld werten. Das machen ja dann die Leser, die sich an der Abstimmung beteiligen. Wer sich auch immer mit Wissenschaft beschäftigt – auf welche Weise auch immer – ist daher ein Wissenschaftsblog. Auf Ihre Vorschlagsliste sollten also die mit den größten Reichweiten, die die meiste Aufmerksamkeit erhalten und die meisten Diskussionen auslösen.
Ich würde aber gerne ein paar formale Kriterien vorschlagen:
Ausschluß von „Nachrichtenportalen“. Wer nur kopiert oder anteast, ist aus meiner Sicht kein wirklicher Blog. Es sollten sich schon selbsterstellte Inhalte auf den Seiten finden. Und zwar überwiegend.
Trennung zwischen „Profi“ und „Amateur“. Unter „professionellen Blogs“ verstehe ich solche, die auf bezahlte Autoren und eine entsprechende Infrastruktur zurückgreifen können. Gemeint sind vor allem Blogs von Zeitungsredaktionen oder Großforschungseinrichtungen. Diese haben in Bezug auf das Reichweitenkriterium einen systembedingten Vorteil, da sie mehr Inhalte produzieren und gründlichere Recherchen durchführen können, als die Hobbyblogger.
Ausschluß von Seiten ohne Kommentarmöglichkeiten. Aus meiner Sicht ist die Kommentarspalte ein Wesensmerkmal von Blogs. Wer keine hat oder keine anbietet, betreibt keinen Blog, sondern eher ein „Nachrichtenportal“.
Entscheiden sollten über die Nominierung allein Sie und niemand sonst. Es ist Ihr Wettbewerb. Solange Sie dabei rein formale, transparent prüfbare Kriterien wie oben anwenden, kann man Sie dafür auch kaum kritisieren.
Das „Problem“ mit EIKE ist nach meinem Dafürhalten ein völlig anderes gewesen. Es geht doch hier nicht um inhaltliche Fragen und ob das nun akzeptabel ist oder nicht, was dort geschrieben steht. Das muß jeder für sich auf der individuellen Ebene entscheiden. Hierzu gibt es kein allgemeingültiges Wertungskriterium.
Das Problem war, daß Ihnen (aufgrund des ebuzzing-Bezugs) der mit Abstand in Bezug auf die Reichweite größte und bedeutendste Blog (verglichen mit dem übrigen Teilnehmerfeld) entgangen war. Wenn EIKE an einer solchen Abstimmung teilnimmt, wird es diese auch gewinnen. Das scheint mir zumindest klar. Und das ist wohl auch den meisten anderen klar, die sich in dieser Angelegenheit zu Wort gemeldet haben. Ich finde das nicht so wichtig, aber andere ärgern sich über diese Aussicht eben maßlos. Um dies zu verhindern versuchen sie, durch zusätzliche Kriterien (mit konstruierter Relevanz) eine EIKE-Nominierung zu verhindern.
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Füsikus
17. Januar 2014
Herr Heller,
„Entscheiden sollten über die Nominierung allein Sie und niemand sonst. Es ist Ihr Wettbewerb. Solange Sie dabei rein formale, transparent prüfbare Kriterien wie oben anwenden, kann man Sie dafür auch kaum kritisieren.“
Ich glaube, Prügel sind immer garantiert, egal wie Herr Korbmann auswählt, solange es Menschen gibt, die den Preis überaus ernst nehmen.
Mal ein Beispiel (nein, nicht die Gästeliste zur Hochzeitsfeier):
Nehmen wir an, wir hätten vor, das beste Buch des Jahres zu wählen. Und wählen zur Nominierung das völlig transparente Verfahren, dass wir die Bestseller 2013 zur Auswahl stellen. Ich schätze, Prügel von Literaten sind garantiert.
Ich denke, man kommt nicht umhin, zu diskutieren, was man unter „bestem Buch“ versteht.
Sie definieren „Wissenschaftsblog“ weit umfassend, aber Sie definieren nicht „bester“. Ein Blog, der Kreationismus propagiert, indem er regelmäßig aufzeigt, wo die Wissenschaft der Evolutionstheorie versagt („das Auge!“ nenne ich mal augenzwinkernd als Beispiel) wäre nach ihrer Definition ein Wissenschaftsblog. Können Sie so sehen. Offen bleibt, ob er als Kandidat für den besten Blog infrage kommt.
Viele Grüße
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Peter Heller
17. Januar 2014
@ Füsikus:
Ich verstehe, was Sie meinen. Ich habe nur keine Lösung dafür.
In der aktuellen Abstimmungsrunde stand der Blog „Grenzwissenschaft aktuell“ auf der Liste. Hat mir auch nicht gefallen. Aus meiner Sicht aber der einzige Kandidat, auf den eine Esoterik-Metapher („Tessier“) passen würde. Der einzige. Von über 20 Kandidaten, die Herr Korbmann alle ausgewählt hatte, ohne die hier zu besprechenden Kriterien anzuwenden. Das zeigt also schon mal, daß es mit dem bisherigen Auswahlverfahren in dieser Hinsicht gar kein Problem gibt.
Zweitens hat dieser Blog keinen der vorderen Plätze belegt. Also war auch das Vetrauen in die Leser gerechtfertigt, die letztendlich abstimmen. Es besteht auch in dieser Hinsicht kein Handlungsbedarf.
Das Problem, das Sie mit EIKE haben, ist Ihr ganz persönliches Problem. Das können Sie nun einmal nicht zu einem allgemeingültigen Maßstab erheben.
Das Internet ist vor allem ein Instrument der freien Meinungsäußerung. Ich bin vielleicht zu naiv, aber ich denke, daß die hier von Herrn Korbmann angesprochenen Blogs alle wahrhaftig sind. Durch die Bank. Alle Blogger engagieren sich, weil sie bestimmte Überzeugungen haben und weil sie Meinungen vertreten. Da ist keiner dabei, der absichtlich lügt oder desinformiert.
Wenn denn tatsächlich Kreationisten, Astrologen u.ä. auftauchen – und auch noch die Abstimmung gewinnen, tja, dann ist das nun einmal so. Da kann man sich ärgern (würde ich auch), aber wenn dem so sein sollte, zeigt das nur die Defizite der Wissenschaftskommunikation in Deutschland auf.
Ich glaube aber nicht, daß diese Gefahr besteht.
EIKE gehört nicht in diese Kategorie. Das ist meine Meinung. Scheinbar nicht Ihre. Was machen wir jetzt? Ich würde sagen, wir überlassen es den Lesern, ihr eigenes Bild zu entwickeln. Wenn EIKE keine guten Argumente hat, wird es auch nicht erfolgreich sein.
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Reiner Korbmann
18. Januar 2014
Lieber Herr Heller, letztendlich muss ich ohnehin entscheiden, was in meinem Blog, für den ich nicht nur die presserechtliche Verantwortung trage, veröffentlicht wird. Aber ich diskutiere meine Meinung gern mit anderen und bin bereit, daraus für mich selbst zu lernen. Damit habe ich immer gute Erfahrungen gemacht.Daher habe ich diese Diskussion gestartet.
Noch ein Wort: Vorsicht mit dem Argument der freien Meinungsäußerung! Das gilt für das Internet, jedem steht es im Web zu veröffentlichen, was er für richtig hält, solange es nicht den Gesetzen widerspricht. Das heißt aber nicht, dass auf jedem Blog alles veröffentlicht werden muss, was irgendjemand meint. Ich nehme durchaus das Recht für mich in Anspruch, Kommentare zu löschen oder nicht zu veröffentlichen, die nicht zum Thema, zum Qualitätsanspruch oder zum Anspruch meiner Leser passt. Das ist als Blog-Verantwortlicher meine Freiheit und meine Verantwortung. Das hat nichts mit Zensur zu tun, wie mir auch schon vorgeworfen wurde.
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Reiner Korbmann
18. Januar 2014
Lieber Füsikus, Sie bringen das Kriterium der Qualität ins Spiel:”bester”. Kann man drüber diskutieren. Bisher habe ich das bewusst ausgelassen, denn nach meiner Überzeugung kann man Qualität nicht in einer Publikumswahl ermitteln. Dazu braucht man eine Jury, und damit ist man wieder beim Problem der Deutungshoheit. Man kann natürlich auch argumentieren, dass – angesichts der Unmöglichkeit, die beste Qualität durch Publikumswahl festzustellen – wenigstens die Kandidatenliste Mindeststandards erfüllen sollte. Gut, dann aber welche Mindeststandards? Und soll ich allein entscheiden, ob sie eingehalten worden sind?
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Füsikus
15. Januar 2014
Zentral dürfte wohl die zweite Frage sein: Was ist ein Wissenschaftsblog?
Ich würde antworten: Ein Blog, der Wissenschaft kommuniziert.
Womit wir bei der ersten Frage wären: Was ist Wissenschaft?
Ich würde antworten: all das, was sich der wissenschaftlichen Methodik bedient.
Wenn wir uns fragen, was ein „guter Wissenschaftsblog“ ist, kommen wir nicht umhin, Qualitätskriterien zu definieren, wir müssen uns auch fragen, was das Ziel eines Wissenschaftsblogs sein soll.
Wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Korbmann, dann ist ihre zentrale These, dass Wissenschaft durch gesellschaftliche und mediale Veränderungen bedroht ist, ihren Stellenwert in der Öffentlichkeit zu verlieren. Ein Ausweg ist, über neue Wege/Medien diese Öffentlichkeit auf Augenhöhe zu erreichen, raus aus dem Elfenbeinturm, hinein in die Öffentlichkeit! Dieser These liegt eine unausgesprochene Annahme zugrunde: Sie und wohl wir alle haben eine große Wertschätzung für Wissenschaft und halten diese für unverzichtbar.
Ich habe für Martin Baekers Blog „Hier wohnen Drachen“ gestimmt, weil ich dort (und nicht in den Medien) erst verstanden habe, was es mit dem Higgs-Teilchen auf sich hat. Weil er in mir Lust geweckt hat, mich wieder mit Relativitätstheorie und Quantenphysik zu beschäftigen.
Ich finde Florian Freistetters Blog hervorragend, weil er es versteht, Wissenschaft im besten Sinne des Wortes „populär“ zu machen.
Ich habe nicht für Rahmstorfs Blog gestimmt. Rahmstorf berichtet zwar unbestritten äußerst kompetent und informativ über Klimathemen, mir fehlt aber die „Augenhöhe“ und die Bereitschaft, auch kritische Fragen zu beleuchten. Für meinen Geschmack zu sehr „ex Katheter“, aber das ist Geschmackssache.
Nun gab es diesen einen Blog (EIKE), der so gerne dabei gewesen wäre, und wo manche Anhänger etwas wütend waren, dass es dieses Jahr nicht geklappt hat. Dieser Blog hat das Ziel, Klimapolitik zu verhindern, und die Klimawissenschaft ist zum erklärten Feind geworden. Von Leugnung des Treibhauseffekts, gefälschten Zitaten, Leugnung von Fakten, einseitige Betrachtung wissenschaftlicher Außenseiterthesen, es ist alles willkommen, Hauptsache gegen die Mainstream-Klimawissenschaft gerichtet. Klimaforscher sind Verschwörer und Betrüger, Daten werden manipuliert, Kommentatoren fordern regelmäßig Entfernung von Klimawissenschaftlern aus dem Forschungsbetrieb, man fordert Gefängnis und einer brachte auch schon Laternenpfähle ins Spiel. Man versucht, wissenschaftliche Erkenntnis aus dem politisch-gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess herauszudrängen, womit man für meinen Geschmack die Axt an die Erfolgsgeschichte der Aufklärung legt. Oder eine Nummer niedriger: Man verstößt gegen die im dritten Absatz formulierte Grundannahme.
Man könnte jetzt einwenden: Moment, die Menschen sind anders geworden, sie wollen sich nicht von oben herab nur belehren lassen. Wenn es Leser anzieht, wenn Wissenschaft kritisch begleitet wird, dann ist dies doch auch ein Wert. Ist ja alles unbestritten richtig (nur so ist es für Leser auch attraktiv), aber es gibt eben eine rote Linie. Wissenschaft ist keine demokratische Spielwiese, wo sich jeder gleichsam einer Meinung seine eigene Wissenschaft zurechtbasteln kann. Wissenschaft sondert gnadenlos aus, was nicht durch den Ansprüchen wissensch. Methodik genügt. Dies ist die Wurzel des rasanten wissenschaftlichen und technischen Fortschritts, wir können die Axtschwinger wohl kaum zur Wahl stellen.
Aber es ist ihr Preis. Meine Anregung wären, dass Sie (und nicht irgendwelche Rankings) entscheiden, welche Blogs ihrer Meinung nach und nach ihren Qualtitätskritierien es wert sind, als Kandidaten aufgenommen zu werden. Im Grunde ist es dann doch zweitrangig, wer den Preis erhält. Schön ist, dass man als Leser vielleicht die ein oder andere Blogperle entdeckt, bei der man dann in Zukunft häufiger hineinschaut.
Viele Grüße
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Reiner Korbmann
16. Januar 2014
Lieber Füsikus, mir geht es bei Wissenschaftskommunikation nicht allein um Öffentlichkeit, sondern um das Funktionieren unserer Gesellschaft. Die Gesellschaft ist nach meinem Verständnis das Zusammenspiel verschiedener Player zur Befriedigung des Bedarfs und der Bedürfnisse der Menschen (etwa der Wissenschaft, der Politik, der Wirtschaft, der Kultur, des Rechtswesens, des Sports usw.). Und dieses Zusammenspiel läuft über Kommunikation. Dies ist der eigentliche Sinn der Wissenschaftskommunikation: die Wissenschaft (die ich tatsächlich für wichtig halte, sonst würde ich mich nicht so intensiv mit Wissenschaftskommunikation beschäftigen) an diesem Zusammenspiel beteiligen – nicht vor allem wissenschaftliche Inhalte transportieren, nicht vor allem belehren, nicht vor allem überzeugen, sondern aktiv mit dabei sein, dadurch selbstverständlich auch eigene Interessen vertreten, aber vor allem emotional die anderen beteiligen (Emotionen sind ein wichtiger Teil des Spiels, wenn nicht der wichtigste), zuhören, auf die anderen eingehen, das eigene Handeln in diesem Licht reflektieren. Eben: Im gesellschaftlichen Zusammenspiel mitwirken im Sinne der kommunizierenden Röhren der Physik. Ausführlicher habe ich dies beschrieben in meiner Thesenpapier „Kommunikation tut Not“, das Sie hier im Blog finden.
Ihre Vorschläge laufen, mit Verlaub, alle wieder auf die Frage hinaus: Wer hat die Deutungshoheit? Wer entscheidet, was wissenschaftliche Methoden sind und was nicht? Wer entscheidet, was interessante Wissenschafts-Blogs sind und was keine Wissenschafts-Blogs sind? Sie wollen dies mir überlassen. Letztendlich werde ich dies auch übernehmen (gern!), denn ich habe für diesen Blog die Verantwortung. Da ich aber weiß, dass dieser Preis eben kein Privatvergnügen von mir ist, dass er beachtet wird, dass viele andere sich an den Vorschlägen orientieren, sich zumindest für die Preisträger interessieren. Da ich außerdem weiß, das mein Wissen begrenzt ist und ich sehr oft von Diskussionen um meine Meinung profitiert habe, möchte ich dies nicht allein tun, sondern die engagierten Leser beteiligen. Am Ende können wir alle von diesen Diskussionen profitieren.
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Füsikus
16. Januar 2014
Sehr geehrter Herr Korbmann,
Sie schreiben: „Dies ist der eigentliche Sinn der Wissenschaftskommunikation: die Wissenschaft (die ich tatsächlich für wichtig halte, sonst würde ich mich nicht so intensiv mit Wissenschaftskommunikation beschäftigen) an diesem Zusammenspiel beteiligen – nicht vor allem wissenschaftliche Inhalte transportieren, nicht vor allem belehren, nicht vor allem überzeugen, sondern aktiv mit dabei sein, dadurch selbstverständlich auch eigene Interessen vertreten, aber vor allem emotional die anderen beteiligen (Emotionen sind ein wichtiger Teil des Spiels, wenn nicht der wichtigste), zuhören, auf die anderen eingehen, das eigene Handeln in diesem Licht reflektieren.“
Ich denke, das ist die Stelle, an der wir uns unterscheiden in Bezug auf unsere Sichtweise auf die Wissenschaft. Klar, Wissenschaft und Forschung befriedigen die Neugier des Menschen, Wissenschaft ist ein teil der menschlischen Kultur, und die Gesellschaft stellt dafür Gelder zur Verfügung. Dafür gibt die Wissenschaft auch etwas zurück: Maßnahmen zur Bekämpfung der Banken- und Finanzkrise wurden ergriffen, nachdem man die Sichtweise der Ökonomen gehört hatte (hoffe ich, bin mir teilweise nicht ganz sicher, Lehmann pleite gehen zu lassen ist möglicherweise ein Gegenbeispiel). Gesetzgebung zu genmodifizierter Nahrung basieren (hoffentlich) auf einer wissenschaftlichen Grundlage, und nicht auf reiner Emotion und Parteitaktik.
Kurz: Wissenschaft nimmt nicht einfach teil am gesellschaftlichen Tralala, Wissenschaft hat die Pflicht, der Gesellschaft etwas zurückzugeben: Sie MUSS zu relevanten Fragen die wissenschaftlichen Inhalte transportieren, sie MUSS darüber belehren. Genau da sehe ich die Aufgabe von Wissenschaftskommunikation: sie ist dann hochwertig, wenn dieser Transport/ diese Belehrung die eigenen Interessen hintenanstellt, wenn sie über die inhärenten Unsicherheiten informiert und auch andere Sichtweisen nicht verschweigt.
Was die Gesellschaft/die Politik dann daraus macht, ist deren Sache.
Ein Blog ist dann für den Wissenschaftler (und die Leser) die Chance, nun mal für sich zu sprechen und nicht im Namen der Wissenschaft. Raus aus dem Korsett des „honest brokers“, wir Leser entdecken nun den Menschen hinter dem Wissenschaftler.
Und nun sind wir wieder beim Thema: Es ist für mich einfach schwer zu ertragen, wenn ein Blog, der Wissenschaft attackiert, deren Erkenntnisse verzerrt, und damit gesellschaftliche Entscheidungen zu beeinflussen versucht, nominiert wird. Nach meinem Verständnis wird dadurch Wissenschaftskommunikation (wie ich sie verstehe) pervertiert.
Ich glaube, genau das ist es, was auch bei Florian Freistetter einen Nerv getroffen hat.
So, ich ziehe mich jetzt erst mal zurück. Würde mich freuen, wenn vielleicht der ein oder andere Blogger hier seine Ansichten preisgibt (insbesondere Florian), und ich einfach mal lauschen kann. Möglicherweise habe ich ja eine verengte Sichtweise von Wissenschaftskommunikation. Aber selbst bei einer weiter gefassten Definition halte ich es für ein Kennzeichen guter Kommunikation, die Gesellschaft korrekt über den Stand der Wissenschaft zu informieren. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis ist unverhandelbar, für Kreationismus etc. ist einfach kein Platz.
Herzliche Grüße
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Reiner Korbmann
17. Januar 2014
Lassen wir die Meinungsunterschiede einmal so stehen.
Nur gegen ein Wort möchte ich Einspruch einlegen: Das gesellschaftliche Zusammenspiel ist kein Tralala! Es ist die Grundlage dafür, dass unser Leben funktioniert. Es ist auch kein „Spiel“, sondern ein ständiges Geben und Nehmen, und es ist heute gar nicht mehr sicher, dass das, was wir brauchen (z.B. Finanzen, Nachwuchs, Rechtssicherheit, Vertrauen), gegeben wird, und das was wir zu bieten haben (z.B. Wissen, Bildung, Qualifikation), auch angenommen wird.
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Gerhard Samulat
15. Januar 2014
Die fünfte Frage „Gehört ein Wissenschafts-Blog zum System Wissenschaft oder zum System Kommunikation (hier: Wissenschaftskommunikation)?“ haben Sie sich selbst beantwortet;-) (Letzter Absatz: „Blogs aber gehören nicht zur Welt der Wissenschaft, sondern zur Welt der Kommunikation.“) Wenngleich ich das nicht so streng getrennt sehen würde. Es gibt auch Bereiche, die eine Schnittmenge haben können. Wissenschafts-Blogs gehören mit Sicherheit dazu.
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Reiner Korbmann
16. Januar 2014
Lieber Herr Samulat, dass ich hier die Fragen stelle, heißt ja nicht, dass ich – nach 40 Jahren Beschäftigung mit der Wissenschaft und der Wissenschaftskommunikation – keine Meinung dazu habe. Aber ich stelle gern auch meine Meinung zur Diskussion.
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