In den letzten Wochen haben wir in diesem Blog viel diskutiert über die großen Dinge der Wissenschaftskommunikation: Gesellschafts- oder wissenschaftsorientiert? Welche Rolle haben die Forschungssprecher? Geht es darum, der Gesellschaft mehr Wissenschaft beizubringen oder darum, mit ihr in einen Dialog zu treten? Darüber gerät fast in Vergessenheit, dass Kommunikation, in diesem Fall Wissenschaftskommunikation, auch zum großen Teil ein Handwerk ist, wo es darum geht, die Werkzeuge richtig einzusetzen, vor allem aber auch, die Wünsche und Gewohnheiten der Kunden zu kennen: Wir sollten über die Diskussionen zur Zukunft des Handwerks den richtigen Umgang mit dem Hammer nicht vergessen. Heute also „down to earth“ ein Stück aus der Praxis. Eine der wichtigsten Zielgruppen für Forschungssprecher sind zweifellos die Journalisten. Ich meine nicht etwa nur die Wissenschaftsjournalisten, nein Journalisten ganz generell. Denn Wissenschaftsjournalisten sind in diesem Berufsstand eine kleine, noch nicht einmal besonders hoch geachtete Minderheit. Über 90 Prozent der Informationsinhalte von Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen werden nicht von Wissenschaftsjournalisten aufbereitet, sondern von Journalisten anderer Ressorts, mit anderem Werdegang, anderen Erfahrungen, anderen Kontakten, anderem Wissen und manchmal auch anderen Normen. Kein Wunder also, dass ein Großteil der Nachrichten über Wissenschaft, gesellschaftliche Probleme mit wissenschaftlichen Entwicklungen, Skandale oder andere Ereignisse, zu denen Wissenschaft etwas zu sagen hat, niemals durch
die Hand von Wissenschaftsjournalisten gegangen. Die aktuelle Ebola-Seuche in Afrika ist nur eines von vielen Beispielen. Die Informationen werden recherchiert und geschrieben von ganz normalen Journalisten, die sich gar nicht die Mühe machen können, für diese eine Meldung oder Geschichte die besondere Welt der Wissenschaft verstehen zu lernen. Wie aber diese Journalisten erreichen? Meist kennt man von ihnen noch nicht einmal die Namen, fast immer aber weiß man gar nicht, dass sie etwas recherchieren, zu dem das eigene Institut seit Jahren ausgezeichnetes Hintergrundmaterial erarbeitet hat, zu dem gerade ein Forscher im Hause eine passende Studie abgeschlossen hat, ja meist haben die Journalisten noch nicht einmal davon gehört, dass dazu vielleicht sogar eine Expertendatenbank existiert, in der das eigene Haus gut vertreten ist. Einen Hinweis, wie diese Frage im Alltag jeder Pressestelle gelöst werden kann, bietet eine Studie des PR-Dienstleisters ResponceSource und der Marktforscher Bitkom Research. (Sorry, sie ist schon ein paar Wochen veröffentlicht, aber erst jetzt bin ich darauf gestoßen. Die Befragung von 1.300 Journalisten ist deshalb aber nicht weniger aktuell und spannend.) Die Kollegen dieser Online-Agentur haben untersucht, wie Journalisten das Internet bei ihren Recherchen einsetzen. Zwar ist ihre Schlussfolgerung, „der Nutzen des Internets für Medienmacher liegt weitgehend brach“, sie zeigen in den Ergebnissen aber zugeich, dass Journalisten – wohlgemerkt nicht spezielle Wissenschaftsjournalisten – heute bei Themenfindung und Recherche vom Internet tatsächlich schon abhängig sind.
Insgesamt 58 Prozent der Recherchen finden heute im Internet statt (vor fünf Jahren war es noch 48%). Der Trend zum schnellen Blick ins Web dürfte weitergehen, denn schon jetzt klagen 61 Prozent der Journalisten, dass sie nicht genug Zeit zum Recherchieren haben (nur 19 Prozent sind mit der verfügbaren Zeit zufrieden). Insgesamt verbringen die Befragten täglich zwei Stunden und 43 Minuten mit Recherchen – immerhin ein Drittel eines achtstündigen Arbeitstags (den aber kaum ein Journalist hat). In erster Linie tun Journalisten im Internet drei Dinge: Erstens Checken der aktuellen Nachrichtenlage (87%), zweitens Quellen und Kontaktdaten finden (85%), und drittens, sich aus dem Web Informationen und Zusatzmaterial holen. Die wichtigsten Werkzeuge für die Journalisten sind dabei Suchmaschinen (93 Prozent) und E-Mail (90 Prozent), drastisch weniger (maximal 51 %, je nach Institution) nutzen die Websites von Institutionen, Behörden oder Verbänden. Noch geringer ist das Interesse an Sozialen Netzwerken wie Facebook, Google+ und Twitter (29 %). Und natürlich gibt es bei all diesen Zahlen auch ein Altersgefälle zwischen jungen und älteren Journalisten: Social Web ist für 46 Prozent der unter 35 Jahre alten Journalisten wichtig, aber nur für 20 Prozent der über 55-jährigen. Was sind die Schlussfolgerungen für einen Forschungssprecher aus diesen Zahlen? Zunächst einmal: Für die Pressearbeit sind beim Webauftritt eines Instituts ganz andere Dinge wichtig, als etwa für die Selbstdarstellung des Instituts, für die Betreuung von Stakeholdern oder für den Kontakt mit Wissenschaftskollegen. Es geht nicht allein um eine informative, ansehnlich gestaltete und alle Facetten des Instituts ausleuchtende Website. Für die Pressearbeit ist es unabdingbar, möglichst viele Forschungsinhalte möglichst verständlich im Web zu präsentieren, auch aktuelle Untersuchungen und Veröffentlichungen darzustellen. Vielleicht kann es wertvoller sein, die Texte auf der Website über die wissenschaftlichen Inhalte zu er- und überarbeiten, als noch ein paar belanglose Pressemitteilungen mehr zu streuen. Und dann ist Eines ganz wichtig: Für eine gute Sichtbarkeit in den Suchmaschinen zu sorgen. Suchmaschinenoptimierung (englisch abgekürzt: SEO) heißt das Zauberwort. Da gibt es Spezialisten, die überzeugt sind, jeden Webauftritt bei Google auf die erste Seite bringen zu können. (Aber Vorsicht bei der Auswahl, da gibt es auch viele schwarze Schafe.) Es gibt aber auch ganz einfache Tipps und Tricks, die mehr Erfolg bei Google bringen, aber das ist vielleicht ein Thema für einen eigenen, speziell recherchierten Blogpost. Die zweite Lehre, die ich ziehen würde: Es darf auf der Website eines Instituts eigentlich keinen Namen geben ohne E-Mail-Adresse (gern auch zur reaktionsschnellen Sekretärin, die dann aber nicht eine blockierende, sondern eine vermittelnde Funktion haben sollte), sei es von Wissenschaftlern, sei es von Mitarbeitern der Pressestelle. Das sind für mich die Schlußfolgerungen aus den Zahlen von ResponseSource für die praktische Arbeit. Aus meiner eigenen Erfahrung im Redaktionsalltag (immerhin fast 30 Jahre) kann ich die Zahlen nur bestätigen. Ob auch die Dienste der Agentur notwendig sind, weiß ich nicht, dazu habe ich mich nicht genug damit beschäftigt. Als aktiver Journalist habe ich mich jedenfalls immer über einen möglichst direkten Kontakt zu Pressestellen oder zu Wissenschaftlern gefreut, und die sind im Internet ja heute relativ leicht zu finden (was eigentlich gegen eine zwischengeschaltete Anlaufstelle spricht. Aus der Perspektive von Institutionen, denen Pressearbeit nur lästig ist, die nicht auch eine Chance im direkten Kontakt mit Journalisten sehen, mag das anders aussehen.) Natürlich dient die Website eines Instituts nicht nur der Pressearbeit. Sie muss auch repräsentativ sein, schließlich ist sie oft genug Erstkontakt für potenzielle Mitarbeiter, Kooperationspartner, Forscherkollegen, Nachbarn und Politiker. Und wer auch an die Zukunft denkt, wird langsam und sorgfältig die Social Media-Auftritte entwickeln. Sie sind nicht nur wichtig für die Pressearbeit der Zukunft (auch junge Journalisten werden älter, und ändern dann ihre Gewohnheiten nicht mehr grundlegend), vor allem für Studenten und potenzielle Doktoranden sind sie schon heute wichtige Anlaufportale.
Statistik für die Praxis – Wie finden mich Journalisten?
Posted on 12. August 2014
Lisa Koffke
15. August 2014
Zitat „Denn Wissenschaftsjournalisten sind in diesem Berufsstand eine kleine, noch nicht einmal besonders hoch geachtete Minderheit.“
Können Sie dies belegen?
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Reiner Korbmann
19. August 2014
Liebe Frau Koffke,
dass Wissenschaftsjournalisten eine Minderheit unter Journalisten sind und auch nur einen geringen Teil der Informationen (auch über Wissenschaft) in den Medien be- und erarbeiten, muss ich wohl nicht belegen. Dass ihr Ansehen unter den journalistischen Kollegen in anderen Resorts nicht sehr hoch ist, weiß ich aus rund 30-jähriger persönlicher Erfahrung als Wissenschaftsjournalist in Redaktionen von Publikumsmedien, aber auch aus Äußerungen von führenden Medienleuten, etwa dem damaligen Programmdirektor der ARD, der in einem von mir moderierten Streitgespräch deutlich machte, dass er seine Wissenschaftsjournalisten nicht für fähig halte, aktuell wichtige Wissenschaftsthemen zu betreuen: „Da müssen die Kollegen von den aktuellen Formaten ran.“ Das ist aber nur eines von vielen ähnlichen Erlebnissen.
Es ist ja auch kein Wunder! Wissenschaftsjournalisten arbeiten in der Welt der Medien (auch wenn Wissenschaftler das oft nicht so sehen). Und wie viele Wissenschaftsjournalisten haben denn eine fundierte journalistische Ausbildung? Das beginnt gerade erst, langsam besser zu werden. Doch bis sich der Ruf bessert, wird es dauern. Es ist ja für Wissenschaftsjournalisten auch schwer, in den Medien Karriere zu machen. Ich war lange Zeit der einzige Wissenschaftsjournalist auf der Position eines Chefredakteurs in einem Publikumsmedium (allerdings: eines Wissenschaftsmagazins) und ich habe mich über Einzelbeispiele gefreut, wo Kollegen in Tageszeitungen es zum Leitenden Redakteur (außerhalb der Wissenschaftsredaktion) geschafft haben.
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Lisa Koffke
30. August 2014
Es bedarf wohl viel leidenschaftliches Engagement, um sich in besagtem Berufsstand als Entscheidungsträger zu bewähren. Wissenschaftsjournalismus ist ein Widerspruch in sich und dieser lässt nicht durch Kosmetik („journalistische Ausbildung“ o.ä.) lösen. Als Küchenzuruf formuliert: Das Interesse des Publikums an gesichertem Wissen nimmt zu. Warum ist der Handel mit Modeartikeln weiterhin das bessere Geschäft?
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Reiner Korbmann
31. August 2014
Liebe Frau Koffke,
ich finde es schon ein wenig merkwürdig, professionelle Ausbildung als „Kosmetik“ anzusehen. Gilt das für Wissenschaftler auch? Eine zweite Frage: Zitat: „Das Interesse des Publikums an gesichertem Wissen nimmt zu.“ Können Sie dies belegen?
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Dennis Cakirbey
13. August 2014
Eine gute Möglichkeit sind auch Medien-Kontaktportale wie http://www.recherchescout.de . Dort recherchieren Journalisten aller Bereiche und man bekommt alle Anfragen zu seinem Thema. Für Journalisten ist das wesentlich interessanter als bereits kommunizierte Inhalte auf Webseiten, da sie exklusiver sind.
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