Prof. Stephan Ruß-Mohl, Beobachter des Wissenschaftsjournalismus in Deutschland seit Jahrzehnten, sieht eine düstere Zukunft für die klassischen Journalismus-Tugenden. Ein Gastbeitrag.
Zunächst ein Statement: Den Journalismus, wie wir ihn heute kennen, wird es sicher in 15 Jahren auch noch geben, und den Wissenschaftsjournalismus ebenfalls. Soweit traue ich mir Prognosen zu, obwohl man als Wissenschaftler vorsichtig sein sollte mit Vorhersagen, die länger als zwei, drei Jahre in die Zukunft reichen.
Doch mein Thema ist das Rückzugsgefecht des Journalismus in der Wissenschaftskommunikation. Mir geht es dabei um eine Bestandsaufnahme, aber auch um ein paar Fehlentwicklungen, die ich im Umfeld des Wissenschaftsjournalismus beobachte, verbunden mit einem Blick auf die langfristigen Trends. Und schließlich will ich auf die Herausforderungen für den Journalismus zu sprechen kommen, die sich unter den Bedingungen der Aufmerksamkeitsökonomie, Medienkonvergenz und Digitalisierung stellen.
Der Karlsruher Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Helmut F. Spinner hat den Wissenschaftsjournalisten einmal folgendermaßen beschrieben: „Der findige Wissenschaftsjournalist ist weder Kumpan noch Konkurrent des Wissenschaftlers, sondern dessen funktionelles Komplement, das die Informationslage um Beiträge ergänzt, welche die Wissenschaft nicht erbringen und die Wissensgesellschaft nicht entbehren kann.“
Von diesem Ausgangspunkt will ich auf den Wissenschaftsjournalismus und den Wissenschaftsbetrieb blicken. Am hochgesteckten Anspruch Spinners möchte ich den real vorfindbaren Wissenschaftsjournalismus messen, und ich möchte zunächst vorführen, wo ich Wissenschaftsversagen oder Wissenschaftsjournalismusversagen vermute.
Betrug und Korruption in der Wissenschaft und in den Medien
Da gibt es zum Beispiel eine große Grauzone im Wissenschaftsbetrieb, wo schlichtweg betrogen wird und wo sich auch sehr viel Ineffizienz ausbreitet. Es werden Mittel verschwendet – nicht nur in der Medizin, wie es die Fachzeitschrift Lancet vor kurzem in einer Serie beschrieben hat; es gibt sehr fragwürdige Publikationszwänge, Rankings und Peer Reviews; es gibt eine Inflation von Fachzeitschriften und damit einhergehend auch Korruption, weil man sich in bestimmte Titel gut einkaufen und damit den Peer Review umgehen kann; es gibt organisierte Unverantwortlichkeit in Gremien; es gibt krasse Fälle von Cybermobbing und eine erstaunliche Hilflosigkeit des Wissenschafts- und Forschungsbetriebs, mit solchen Dingen umzugehen. Ich sehe aber auch sehr wenige Journalisten, die sich um solche Dinge kümmern.
Andererseits gibt es aber auch kaum Journalisten, die den Höchstleistungen des Wissenschaftsbetriebs nachspüren. Da beschwert sich etwa der Wissenschaftsjournalist Manfred Ronzheimer auf Facebook darüber, dass seine Kollegen über die Vergabe des Leibniz-Preises, immerhin einer der wichtigsten Forschungspreise in Deutschland, kaum berichteten. Und wer weiß, was in Redaktionen Jahr für Jahr sich abspielt, wenn die Nobelpreise vergeben werden – nämlich großes Staunen über die unbekannten Namen und eifrige Suche in Wikipedia, um wen es sich jeweils handelt – der weiß auch, wie schlecht es um die Prominenz von Top-Wissenschaftlern bestellt ist.
Journalisten unterliegen – wie Wissenschaftskommunikation – der Aufmerksamkeitsökonomie
Es gibt aber auch in zunehmendem Maße „Spin“, also eine Perspektivenverzerrung durch professionelle Öffentlichkeitsarbeit, welche Eingang in die Wissenschaftsberichterstattung findet. So hat etwa der medienkritische Blog „KOBUK!“ kürzlich in Österreich ein Beispiel aufgegriffen, wo die Journalisten blind nachgebetet haben, was die hohen Ministerialbeamten so von sich geben liessen – und keinem fiel auf, dass es nicht gestimmt hat.
Weitere konventionelle Kritikpunkte am Wissenschaftsjournalismus sind die Themenwanderung: Konfliktträchtige Issues werden, wenn sie wirklich politische Bedeutung erlangen, nicht mehr in den Wissenschaftsressorts behandelt, wo die sachkompetenten Redakteure sitzen, sondern von den Edelfedern im Politik-Ressort. Außerdem gewichten Journalisten im Umgang mit Forschern häufig deren Medienkompetenz stärker als die wissenschaftliche Kompetenz. Dies führt dazu, dass viele Medien stets die gleichen Forscher präsentieren – solche eben, die in der Lage sind, kernige „1,30-Sätze zu sprechen“, obwohl sie vielleicht fachlich von der Sache wenig Ahnung haben.
Last not least kommt hinzu, dass sich Betrug auch in den Medien selbst ausbreitet. Für mich sind „Native Advertising“ oder „Content Sponsoring“, wie sie inzwischen auch in seriösen Medien immer häufiger zu finden sind, nichts anderes als Betrug am Publikum. Da wird Journalismus vorgegaukelt, wo tatsächlich nicht mehr nur PR, sondern bezahlte Werbung „drinsteckt“. Angesichts solcher Tatsachen brauchen wir uns nicht wundern, wenn der Journalismus, aber auch die Wissenschaft, immer mehr in eine Glaubwürdigkeitskrise hineinschlittern.
Journalismus und Wissenschaftskommunikation unterliegen, um es abstrakt zu formulieren, und um zugleich aus ökonomischem Blickwinkel draufzugucken, den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie: Nachrichten und Information gibt es im Überfluss, knapp ist dagegen die Aufmerksamkeit der Menschen. Um sie konkurrieren die Medien, ohne diese Aufmerksamkeit können sie keine Werbeeinkünfte erzielen. Insofern ist die erzielte Aufmerksamkeit eine „Währung“, die sich in bares Geld ummünzen lässt.
Beginnen wir mit der alten Variante dieser Aufmerksamkeitsökonomie, als der Journalismus noch halbwegs funktioniert hat und in etwa gleich stark war wie die PR-Seite. Damals gab es den Tauschhandel „Information gegen Aufmerksamkeit“, wobei die Journalisten immer wussten, dass das, was sie von der PR-Seite bekommen, lediglich die halbe Wahrheit ist; aber sie wussten auch, dass in der Regel PR-Leute nicht blanken Unsinn erzählen und nicht rundweg lügen, und dass sich mit etwas Ehrgeiz und Zeiteinsatz die andere Hälfte der Wahrheit recherchieren lässt. Schon damals waren PR-Zulieferungen eine Subvention des Journalismus, denn mit ihrer Informationsarbeit haben die PR-Leute Leistungen geliefert, die zu erbringen im Grunde Aufgabe der Journalisten wäre. Als Gegenleistung für dieses Anschubsen gewähren die Journalisten den PR-Leuten und deren Auftraggebern öffentliche Aufmerksamkeit. Diese Transaktionen fanden und finden auf einem Markt statt, auch wenn kein Geld fließt. Die Währung, mit der die zugelieferte Information bezahlt wird, ist Aufmerksamkeit.
Der Kampf der Medien um Aufmerksamkeit führt zum Verlust der Seriosität
So weit die alte Welt des Journalismus. Eine Bestandsaufnahme der Wissenschaftskommunikation heute sieht etwas anders aus: Unstrittig, gibt es 2015 mehr und besser ausgebildete Wissenschaftsjournalisten als vor 30 Jahren, es gibt aber auch – im Vergleich zur Zahl der Wissenschaftsjournalisten – sehr viel mehr und sehr viel besser ausgebildete PR-Experten im Wissenschaftsbetrieb selbst.
Zur Bestandsaufnahme gehört auch, dass Wissenschaftler sich weiterhin in Konkurrenz um Reputation befinden. Reputation im engen Kreis der jeweiligen Scientific Community ist für sie wichtiger als öffentliche Aufmerksamkeit, sie sind also nicht so „mediengeil“ wie Politiker, Sportler oder Kulturschaffende. Für Forscher kann es riskant sein, sich öffentlich zu exponieren. Sie haben Angst, dass ein Journalist in seiner Darstellung etwas verdreht und ihre Reputation darunter leidet. Diese Angst ist begründet, denn auf der Medienseite führt die gesteigerte Konkurrenz um Aufmerksamkeit gerade online zu Verlusten an Seriosität und Sensationsmache.
Wissenschaftsjournalisten wurden mehr und mehr zu Journalisten
Im Rückblick kann man zusammenfassen, dass sich der Wissenschaftsjournalismus seit den 80er Jahren über etwa 25 Jahre hinweg deutlich zu einem Wissenschaftsjournalismus gewandelt hat. Die Journalisten haben mehr Eigenständigkeit gewonnen, haben sich vom Wissenschaftssystem ein Stück weit freigeschwommen und sich mit dem Wissenschaftsbetrieb vermehrt nach journalistischen Kriterien auseinandergesetzt. Das war gut so – das war die Blütezeit, in der es dem Journalismus und dem Medienbetrieb auch wirtschaftlich blendend ging.
Der Journalismus hat sich dadurch finanzieren können, dass die Abonnenten und Käufer für die Informationen gezahlt haben – sie haben bis zu fünfzig Prozent der gesamten Kosten von Zeitungen und Zeitschriften finanziert. Der Rest stammte aus sprudelnden Werbeerlösen. Auch in der „guten alten“ Zeit gab es in zunehmendem Maße PR-Zulieferungen, die – würde man einmal nachrechnen– den Verlagen sicherlich zwanzig bis fünfzig Prozent der Redaktionskosten erspart haben. Ohne diese Zulieferungen wäre die journalistische Arbeit also deutlich teurer gewesen.
Der PR-Sektor wächst, der Journalismus schrumpft
Doch etwa seit dem Beginn des neuen Jahrtausends – die Prozesse überlappen sich – wird Wissenschaftsjournalismus immer stärker abgelöst durch Wissenschaftskommunikation. Was ist seitdem passiert? Der genuine Journalismus im Sinne von Helmut F. Spinner schrumpft. Auf der einen Seite laufen wir Leser alle ins Internet, wo wir merkwürdigerweise nicht mehr bereit sind, für guten Journalismus zu bezahlen. Jahr für Jahr wandert mehr Werbung dorthin ab, wo deren Zielgruppen viel besser erreichbar sind, wo aber kein Journalismus betrieben, sondern dieser allenfalls weitergereicht und verlinkt wird: zu Facebook und Google. Das bedeutet: für guten Journalismus bleibt kaum mehr Geld übrig.
Und dann kommt noch eine sich professionalisierende, stark expandierende Öffentlichkeitsarbeit dazu. Rein zahlenmäßig sind in den USA die PR-Leute gegenüber den Journalisten inzwischen eine vierfache Übermacht. Die PR-Experten nutzen es aus, dass die Redaktionen immer weniger personelle Kapazität haben und auf das gratis zugelieferte PR-Material angewiesen sind. Und zum Teil ersetzt erfolgreiche Öffentlichkeitarbeit dann die herkömmliche Werbung, was für die Redaktionen doppelt schlimm ist, denn da werden auf der einen Seite Stoffangebote gemacht, auf der anderen Seite wird den Redaktionen aber auch „Stoff“, sprich: das Geld, entzogen, das notwendig wäre, um die PR-Angebote angemessen zu verarbeiten und zu durchleuchten. So entsteht eine gefährliche Dynamik: Der PR-Sektor wächst, der Journalismus schrumpft – die Gratis-Kultur zeitigt Folgen.
Was ist die Konsequenz aus all dem? John Lloyd und Laura Toogood vom Reuters Institute for the Study of Journalism in Oxford haben dazu in einer Studie kürzlich festgestellt: „Public Relations wird vom Journalismus unabhängiger, während der Journalismus immer mehr in die Abhängigkeit von der PR gerät.“ Und Jacob Harris von der New York Times spricht gar von einer „Bullshit-Daten-Woge“, welche „überhand“ nehme. Jetzt sei es „an uns, herauszufinden, wie wir von ihr nicht fortgeschwemmt werden.“
Auf dem Weg zu einer Desinformations-Ökonomie
Aus meiner Sicht sind wir möglicherweise bereits auf dem Weg von der Aufmerksamkeits- zu einer Desinformationsökonomie: Offenbar, lohnt es sich für eine ganze Reihe von Akteuren, die „neben“ dem Journalismus tätig geworden sind, in der Öffentlichkeit präsent zu sein und Desinformation zu verbreiten. Da sind Spin-Doktoren, Geheimdienste, autoritäre Regime und die sogenannten Trolls, aber auch Akteure, die sehr engstirnig bestimmte Eigeninteressen oder auch Verschwörungstheorien vertreten und in den sozialen Netzwerken oder der Blogosphäre aktiv sind. Und da sind außerdem die Algorithmen, die nach – für uns wenig nachvollziehbaren – Kriterien entscheiden, was wir überhaupt erfahren und was nicht.
Aber auch im „konventionellen“ Wissenschaftsjournalismus gibt es angesichts der finanziellen Nöte der meisten Redaktionen Entwicklungen, die mit Sorge erfüllen. Dazu zwei Beispiele aus der Schweiz – ähnliches entwickelt sich gewiss auch anderswo: Die Schweizerische Depeschenagentur (sda), das helvetische Pendant zur dpa, hat seit 2008 eine neue Wissenschaftsredaktion, die pro Tag fünf bis zehn Meldungen produziert. Finanziert wird diese Wissenschaftsredaktion nicht etwa von der Nachrichtenagentur und damit von den Medienunternehmen als deren Kunden, sondern von der Schweizer Rektorenkonferenz und vom Schweizer Nationalfonds, dem wichtigsten Wissenschaftsförderer des Landes. Eine hochproblematische Konstruktion, denn die Wissenschaftsberichterstattung bekommt damit vermutlich eine interessengesteuerten Verzerrung.
Ist der Kampf um guten Wissenschaftsjournalismus schon verloren?
Nicht minder heikel erscheint mir das zweite Beispiel. In der Schweiz gibt es zwei Stiftungen, die den Wissenschaftsjournalismus fördern. Doch anstatt Gelder für seriöse Medien zur Verfügung zu stellen, etwa die Neue Züricher Zeitung oder den Tages-Anzeiger, finanzieren sie Wissenschaftsjournalismus im Gratisblatt 20Minuten, um junge, wenig wissenschaftsaffine Zielgruppen zu erreichen. Damit wird nicht nur die Gratis-Kultur gefördert, es wird ein ohnehin hochprofitables Gratis-Medium sogar noch dafür – mit immerhin 386.000 Schweizer Franken pro Jahr – dafür belohnt, dass es tut, was es ohnehin tun sollte: angemessen über Wissenschaft zu berichten. Die journalistischen Inhalte steuert eine Agentur bei, in der zwar professionelle Wissenschaftsjournalisten sitzen, die aber auch PR-Aufträge wahrnimmt. Interessenskonflikte sind also auch hier programmiert.
Wissenschaftsjournalismus wird tendenziell abgelöst durch Wissenschafts-PR, die sich als Wissenschaftskommunikation tarnt. Alles in allem keine guten Aussichten. Wir versuchen beispielsweise auch mit unserem European Journalism Observatory solche Trends zu beobachten und ihnen entgegenzuwirken – so gut wir können, indem wir über Sprachgrenzen hinweg für Journalisten Information und wissenschaftliche Erkenntnisse zum Journalismus bereitstellen. Sieht man allerdings, wie schwierig es ist, als Aufklärer in sozialen Netzwerken gegen Desinformation, wilde Gerüchte oder Verschwörungstheorien anzukämpfen, dann wird man illusionslos: Jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass in den sozialen Netzwerken die andere Seite inzwischen weit mehr Wirkungsmacht hat. Man kann sich eigentlich nur noch den guten alten Sisyphos als Vorbild nehmen – und ihn sich so vorstellen, wie Albert Camus das getan hat: Er muss den Steinbrocken eben immer wieder gipfelwärts rollen, und bleibt dabei trotzdem ein glücklicher Mensch.
Beat Glogger
20. Mai 2015
IHR MANTRA
Lieber Herr Russ-Mohl
Ich stimme Ihnen bei: Der Wissenschaftsjournalismus durchlebt keine gute Zeit.
Dass Sie unseren Redaktorinnen immerhin attestieren „professionelle Wissenschaftsjournalisten“ zu sein, ehrt uns. Wir verstehen uns als solche.
Was aber im höchsten Mass unzulässig ist, ist das mantrahafte Wiederholen der „programmierten Interessenkonflikte“. Klingt in der Theorie gut und kommt bei Ihrem Publikum sicher gut an.
Aber:
1) Wir betreiben keine PR, sondern im besten (schlimmsten?) Fall Kommunikation für ein paar Kunden aus dem Bereich der Fachhochschulen.
2) Wenn wir Fachartikel in einem Firmenmagazin veröffentlichen, tun wir dasselbe wie ALLE freischaffenden Wissenschaftsjournalisten.
Dazu ein paar Fragen:
1) Warum sollen bei uns Interessenkonflikte schwerwiegender sein?
2) Ich nehme an, Sie lesen unsere Seiten genau: Wo sind die evidenten Belege für solche Interessenkonflikte? Nennen Sie NUR EINEN Artikel, wo in den vergangenen 6 Jahren unsere Berichterstattung befangen war? Wo wir Fragen nicht gestellt haben, die ein Wissenschaftsjournalist stellen müsste – oder die die anderen gestellt haben.
3) Wenn die Fremdfinanzierung bei uns der Grund für nichtkritische Berichterstattung ist, warum berichten dann die durch Werbeeinnahmen finanzierten Journalisten in den „richtigen“ Zeitungen nicht kritischer?
4) Was ist besser? Im Pendlerblatt Keine wissenschaftlichen Inhalte zu haben oder solche, die von einer unabhängigen Stiftung bezahlt und von einer unabhängigen, freischaffenden Redaktion geschrieben sind.
Ich empfehle dazu die Lektüre der Analyse von Markus Lehmkuhl in WPK Quarterly,
Ausgabe II/2013 http://issuu.com/dartmann/docs/wpk-quarterly_2013_ii/21
Lehmkulh kommt zum Schluss, dass in Zeiten der Krise bei Fremdfinanzierung das Modell „unabhängie Stiftung, unabhänge Redaktion, abnehmendes Medium als Dreiecksbeziehung“ zwar nicht ohne Probleme ist, aber von allen neuen Modellen doch das risikkoärmste.
Hochachtungsvoll, Ihr Beat Glogger
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fuhriello
30. April 2015
Hat dies auf fuhriello macht Fuhrwerk bekannt rebloggt und kommentierte:
Ach ja. Sysiphos und Camus sind wohl der einzige, wenn auch ein schwacher Trost für den Rückfall in höfische Berichterstattung über Wissenschaft durch einen Rückzug des Journalismus aus diesem die Moderne begründenden Systemes. Aber vielleicht entdecken ja wieder Investoren dieses Feld und laden die Akteure zu einer neuen Runde Tango ein ohne sich selbst auf die Tanzfläche zu begeben sondern im Wissen seiner Funktion für eine soziale Ordnung nur zusehen und nur den Raum bezahlen? fingerscrossed.
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Christoph Drösser
29. April 2015
Lieber Herr Ruß-Mohl, ich stimme Ihrer Analyse weitgehend zu. Allerdings möchte ich ein kleines Fragezeichen an das „Goldene Zeitalter“ des Wissenschaftsjournalismus machen, das Sie beschreiben. Meine Frage: Hat der Wissenschaftsjournalismus jemals wirklich die Rolle des kritischen Korrektivs der Wissenschaft gespielt? Ich bezweifle das. Der Wissenschaftsjournalismus hatte kein Watergate. Fehlentwicklungen und Betrug wurden stets von Mitgliedern des Wissenschaftsbetriebs selbst aufgedeckt, allenfalls konnten Journalisten denen über die Medien ein Sprachrohr geben.
Das hat natürlich zu tun mit dem Qualifikationsgefälle, über das Journalisten nicht so gerne reden. Ich kenne im deutschen Wissenschaftsjournalismus allenfalls eine Handvoll Kolleginnen und Kollegen, denen ich zutraue, ein zweifelhaftes wissenschaftliches Paper in ihrem Spezialgebiet zu identifizieren. Die Wissenschaft ist heute einfach zu differenziert, als dass selbst eine achtköpfige Redaktion alle Disziplinen wirklich auf Augenhöhe verfolgen könnte.
Diese checks and balances durch die Wissenschaft selbst sind aber in den letzten Jahren erheblich vorangekommen. Dadurch, dass sich die Begutachtung nicht aufs (ziemlich überholte) peer review beschränkt, sondern zunehmend eine Art „crowd review“ stattfindet (z.B. bei archive.org). Dadurch, dass es im Netz inzwischen vielen Ebenen zwischen der Fachzeitschrift und dem populärwissenschaftlichen Artikel gibt. Fast jede Disziplin hat inzwischen ihre quasi-journalistische Blog-Öffenlichkeit. Es gibt stiftungsfinanzierte Web-Magazine, die auf fachlich höherem Niveau schreiben können als ein publizistisches Organ, das sich an eine breite Öffentlichkeit wendet. Viel Geld lässt sich mit alledem nicht verdienen, es sorgt aber für eine lebendigere Diskussion innerhalb der Wissenschaft. Und für mehr Transparenz, als wir selbst im „Goldenen Zeitalter“ je leisten konnten.
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Wolfgang C. Goede
29. April 2015
KALTER KRIEG?
Wenn die „Blütezeit“ vorbei ist, lieber Stephan Ruß-Mohl, wo sind wir gerade: im spätrömischen Zerfall—oder bereits Kalten Krieg?
Danke für diesen Beitrag eines „Paten“, der die Weichen in besagte Hochzeit mitgestellt hatte: Das Bosch-Förderprogramm ebnete Dutzenden jungen Leuten den Weg in einen faszinierenden Beruf, der die Frau und den Mann vor der Jahrtausendwende noch ernährte.
Zu seiner Diagnose eines offensichtlich ziemlich kranken Patienten aus schweizerisch-deutscher Sicht eine gesamteuropäische Perspektive: Bei der General Assembly 2015 der Europäischen Wissenschaftsjournalisten EUSJA in Stockholm im März kam es zu einem Spontan-Attest über den Zustand der Profession, von Finnland bis Griechenland, Russland bis Irland.
Die „Testimonials“ der „European Science Journalists‘ Community“ stützen Ruß-Mohls Befund, gehen darüber aber noch weit hinaus. Drei Essentials:
-> In der Tat, immer weniger Wissenschaftsjournalisten in Europa können von dem mit Journalismus verdienten Geld ihren Lebensunterhalt bestreiten und überschreiten nolens volens die Grenze zu Wissenschaftskommunikation, Hochschul- und Wissens-PR. Als ethisches Pendant ist den Meisten indessen wichtig, dass sie in den verschiedenen Medien sichtbar machen, welchen Hut sie gerade auf haben.
–>> Das ist eine traurige Realität, auch getragen davon, dass die meisten Journalisten und Redaktionen die zerstörerischen Gratis-Angebote selber goutieren und so zur galoppierenden Erosion beitragen, gleichwohl die „Fahnenflüchtigen“ nichts ans Kreuz geschlagen werden dürfen. Vielen Nachwuchsjournalisten ist der Unterschied zwischen Journalismus und Kommunikation/PR gar nicht mehr bekannt, was auch Ausbildungsdefiziten geschuldet ist. Besonders nachdenklich stimmt das Statement eines dänischen Kollegen, wonach die meisten wissenschaftsjournalistischen Beiträge in seinem Land sich nur auf eine einzige Quelle beriefen—„cheerleading at its best!“, leider … Hier fehlt von Verantwortlichen in Journalistenverbänden auf nationaler, regionaler, weltweiter Ebene, in Hochschulen, in Redaktionen DIE Antwort: Training, Training, Training!
—>>> Die ungute Entwicklung hat zu bedauerlichen Ausfallserscheinungen im Wissenschaftsjournalismus beigetragen: einem eskalierenden Gezänke zwischen vermeintlich puristischen Wissenschaftsjournalisten und den Grenzgängern bzw. Grenzüberschreitern. „Es herrscht ein Kalter Krieg“: Zu diesem Ausdruck griff unlängst eine renommierte schweizerische Wissenschaftsjournalistin, um ihrem Ärger über dieses Hickhack Luft zu machen.
Meine persönliche Erfahrung als einstiger Boschstipendiat sowie drei Jahrzehnte als Redakteur in einem populärwissenschaftlichen Medium haben mich gelehrt, dass wir alle mehr oder weniger Grenzgänger sind, ob wir öffentlich-rechtlich oder in privatwirtschaftlich gesteuerten Medien unterwegs sind, ganz egal, welche politisch-weltanschauliche Couleur sie haben.
Die EUSJA-Testimonials dokumentieren, dass bei aller Notwendigkeit, unser wissenschaftsjournalistisches Profil nachzuschärfen, die Situation auch Toleranz und Wille zur Ko-Existenz erfordert. Wenn wir anfangen, zu spalten und uns gegenseitig zu zerlegen, könnte der in der Medienlandschaft noch nie besonders robuste Wissenschaftsjournalismus Ruß-Mohls prognostizierte Überlebenserwartung möglicherweise nicht erfüllen.
Wolfgang Chr. Goede, EUSJA Honorary Secretary
Quelle:
http://www.eusja.org/eusja-testimonials-find-science-journalism-in-a-state-of-erosion
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jsbielicki
29. April 2015
Hat dies auf psychosputnik rebloggt.
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Andrea S. Klahre
29. April 2015
Hat dies auf ALL DIE SCHÖNEN WORTE rebloggt und kommentierte:
Danke!
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Reiner Korbmann
29. April 2015
Zum gleichen Thema veröffentlicht heute der Branchendienst „iBusiness“ ein Dossier unter dem Titel „Publishing-Zukunft: So können Verleger den Weltuntergang absagen“ (http://www.ibusiness.de/members/homepage.html). Leider anmeldepflichtig.
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