Effektive Wissenschaftskommunikation – Die US-Forschung stellt sich neu auf

Posted on 9. November 2017

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Neue Ansätze für die Forschung zur Wissenschaftskommunikation: Das 3. Sackler-Colloquium in Washington: Jeder kann per Livestream dabei sein.

Blogautor Wissenschaft kommuniziertEs gibt den teuflischen Unterschied zwischen den ähnlichen Worten „effizient“ und „effektiv“. Während das erste bedeutet, mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel zu erreichen, heißt das andere: Wirklich das zu erreichen, was man möchte. Die US-amerikanische Forschung zur Wissenschaftkommunikation hat sich letzteres jetzt vorgenommen und stellt dabei viele Fragen, die wertvoll wären, auch in Deutschland beantwortet zu werden – unter den sehr unterschiedlichen kulturellen Voraussetzungen.

Live dabei sein – per Livestream

Beim dritten Sackler-Colloquium „Science of Science Communication III” werden die Wissenschaftler in der nächsten Woche diese Fragen diskutieren und Wege suchen, sie über neue Forschungsansätze zu beantworten. Das Tolle dabei: Jeder kann per Internet und Livestream dabei sein. Die Konferenz, die schon bei den ersten beiden Ausgaben wegweisend für die Forschung zur Wissenschaftskommunikation war (siehe dazu auch die Blogposts von 2014 „Warum brauchen wir Wissenschaftskommunikation?“ und „Nur Rechtsanwälte sind schlimmer – Wie Wissenschaftskommunikation funktioniert“) wird komplett übertragen – vom kommenden Donnerstag, 16. November, 13.00 Uhr MEZ bis Freitag 23.00 Uhr MEZ. Eine kurze, kostenlose Registrierung genügt: https://hssonline.org/members-news/science-of-science-communication-iii-livestreamed-this-november/.

Jetzt online im Livestream mit Webcast für Kommentare:

http://www.nasonline.org/programs/sackler-colloquia/upcoming-colloquia/Science_Communication_III.html

Und Live-Mitschrift der wichtigsten Punkte:

https://docs.google.com/document/d/1pQbEAoSwiRRjVThmgopSVTF3XGAOdvwQIe_IKHZPVBU/edit#

 

Worum geht es? – Effektive Wissenschaftskommunikation

Die Arthur M. Sackler Kolloquien zur Wissenschaftskommunikation der Nationalen Akademie der Wissenschaften begannen 2012 mit dem Ziel, den Stand der empirischen sozialwissenschaftlichen Forschung zur Wissenschaftskommunikation zu evaluieren. Das erste Kolloquium konzentrierte sich auf die Kommunikationsdynamik rund um Fragen aus Wissenschaft, Technik und Medizin. Das zweite Kolloquium stellte die besonderen Herausforderungen der Wissenschaftskommunikation bei kontroversen Themen heraus und war ein wichtiger Impuls für die Konsensstudie „Wissenschaftskommunikation effektiv: Eine Forschungsagenda“.

Ein Forschungsprogramm zur „Science of Science Communication“

Vielversprechende Ansätze: Drei Wissenschafts-Akademien kümmern sich gemeinsam um die Wissenschaftskommunikation.

Das dritte Kolloqium „Science of Science Communication III“ nimmt diese Konsensstudie als Ausgangspunkt. In diesem 150-seitigen Papier haben 13 Experten aus unterschiedlichen Bereichen im Auftrag der Nationalen US-Akademien der Wissenschaften, der Technikwissenschaften und der Medizin den Forschungsbedarf für die Wissenschaftskommunikation zusammengestellt. Zunächst identifizierten sie fünf grundlegende Ziele der Wissenschaftskommunikation:

  • Die Ergebnisse der und die Begeisterung für Wissenschaft zu teilen.
  • Die Wertschätzung für Wissenschaft zu steigern als nützliches Verfahren, um die moderne Welt zu verstehen und sich darin zurecht zu finden.
  • Um Wissen und Verstehen der Wissenschaft zu einem speziellen, für die Gesellschaft relevanten Thema zu verbessern.
  • Einfluss zu nehmen auf Meinungen, Verhaltensweisen und politische Präferenzen der Menschen.
  • Sich mit verschiedenen Gruppen der Gesellschaft zu beschäftigen, so dass ihre Perspektive bei der Suche nach wissenschaftlichen Lösungen für gesellschaftliche Probleme, die alle betreffen, berücksichtigt werden kann.

Bemerkenswert daran ist vor allem der letzte Punkt, bei dem es um das Hineinhorchen in die Gesellschaft und das Reagieren der Wissenschaft darauf geht – ein Aspekt der Wissenschaftskommunikation, der in Deutschland noch kaum so gesehen wird.

Die Wissenschaftskommunikation hat viele offene Fragen

Ein Forschungsrahmen, der zunächst viele Fragen stellt: Wissenschaftskommunikation effektiv.

Und aus diesen Zielen stellen sich Dutzende von Fragen an die Forschung zur Wissenschaftskommunikation, die – geordnet und aufbereitet – ein regelrechtes Forschungsprogramm ergeben: Die Agenda „Wissenschaftskommunikation effektiv“ (als kostenloser Download hier zu finden): . Es geht darum, systematich diese Fragen anzugehen und zu beantworten. Ein paar Beispiele:

Etwa zu Wissenschaft und Politik:

  • Wie gehen politische Entscheidungsträger mit wissenschaftlichen Informationen in den formalen Politikprozessen um – wie nehmen sie sie wahr, verstehen, teilen oder diskutieren sie?
  • Wie kann Wissenschaftskommunikation diese Prozesse beeinflussen?
  • Wie werden diese politischen Prozesse durch die Wissenschaftskommunikation beeinflusst, wenn sich die Wissenschaft in die öffentliche Diskussion einmischt?

Zu Wissenschaft und Öffentlichkeit:

  • Mit welchen Strukturen und Formaten geht Wissenschaft am besten auf die Öffentlichkeit zu, um eine wirksame Wissenschaftskommunikation zu erreichen?
  • Inwieweit lassen sich diese Ansätze verallgemeinern oder müssen auf die unterschiedlichsten Zielgruppen, die zu treffenden Entscheidungen oder das spezielle Thema zugeschnitten werden?

Zu Wissenschaft und Unsicherheit:

  • Was sind wirkungsvolle Methoden zur Vermittlung von wissenschaftlichem Konsens, und wie lassen sich die verschiedenen Grade und Arten von Unsicherheit kommunizieren?
  • Forschung zur Entwicklung von Methoden ist notwendig, mit denen sich die Reaktion der Öffentlichkeit auf Unsicherheiten in wissenschafts-bezogenen gesellschaftlichen Kontroversen besser verstehen lassen, und die dann in einer breiten Zahl von Fällen auch angewandt werden können.

Zur Wissenschaftskommunikation in der neuen Medienwelt:

  • Wie können zuverlässige Informationen über den Stand der Forschung bei den vielen konkurrierenden Nachrichten und Informationsquellen wahrgenommen werden?
  • Wie können Wissenschaftskommunikatoren Zielgruppen erreichen, bei denen es Hindernisse für den Zugang und die Nutzung wissenschaftlicher Informationen gibt, etwa Menschen mit niedrigem Bildungs- und Einkommensniveau oder Menschen mit stark ausgeprägten Ansichten?
  • Sind einige Medien besser als andere geeignet, das Bewusstsein oder das Verständnis der Öffentlichkeit für wissenschaftliche Informationen oder Wissenschaft zu fördern, und wenn ja, für wen?
  • Die sozialen Netzwerke der Menschen beeinflussen bekanntermaßen ihre Überzeugungen, Denk- und Verhaltensweisen. Social Media und Blogs werden zunehmend genutzt, um sowohl richtige als auch ungenaue wissenschaftliche Informationen zu verbreiten. Forschung ist notwendig, um effektive Ansätze für Wissenschaftskommunikation über Social-Media-Plattformen und Blogs zu finden.

Und die Forschung zur Wissenschaftskommunikation in Deutschland?

Es wäre schön, wenn sich im deutschsprachigen Raum die wenigen Kommunikationswissenschaftler, die sich mit Wissenschaftskommunikation beschäftigen, zusammenfinden und zu ähnlichen gemeinsamen Fragestellungen oder sogar zu einer kohärenten Forschungsstrategie zu kommen. An Finanzquellen sollte es nicht fehlen. Die Stiftungen in Deutschland, so ein Eindruck von der jüngsten Tagung „Wissenschaft braucht Gesellschaft“ der Volkswagenstiftung in Hannover, sind aufgewacht – Vertreter etwa von Volkswagen-, Bosch-, Telekom- oder Mercator-Stiftung wissen um die Notwendigkeit, das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft auf neue Grundlagen zu stellen. Jetzt ist die deutsche „Science of Science Communication“ gefordert, die sich in Hannover stolz gebrüstet hat, als wäre sie auf ähnlich hohem Stand wie die Kollegen in den USA.

Im Grunde geht es für die Praxis der Wissenschaftskommunikation um Eines. Die Autoren der Konsensstudie „Communicate Science Effectively“ brachten es auf den Punkt:

“The Need to Determine Which Communication Approaches Work Best under Which Circumstances”

(Wir müssen herausfinden, welche Kommunikationsansätze unter welchen Umständen am besten funktionieren.)