Wissenschaftskommunikation ohne Richtung? – Zwiespältige Eindrücke vom „Forum Wissenschaftskommunikation“

Posted on 28. November 2017

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Blogautor Wissenschaft kommuniziert

Das 10. „Forum Wissenschaftskommunikation in der Braunschweiger Stadthalle bot „Techniken und Werkzeuge“ im Überfluss.

#fwk17

Wenn man den Worten ihres Oberbürgermeisters Ulrich Markurth gleuben darf, dann gibt es eine Stadt, in der man lieber keine Tagung zur Wissenschaftskommunikation veranstalten sollte. Da existiert ein gewaltiger Forschungsverbund, sogar mit einem eigenen Forschungsflughafen, da zählt diese Kommune in Deutschland zu den Städten mit dem höchsten Beschäftigtenanteil in Forschung und Entwicklung, liegt bei den Ausgaben sogar an der Spitze in Europa. Hier wurde der Fußball erfunden und der Omnibus.Selbst der bayerische Löwe stammt von hier. „Nur niemand weiß es“, klagte der Oberbürgermeister von Braunschweig beim Empfang für das 10. Forum Wissenschaftskommunikation. Man kann es aber auch so sehen: diese Stadt kann von dert Tagung zur Wissenschaftskommunikastion noch sehr viel lernen.

Lernen stand ohnehin im Mittelpunkt des „Forums Wissenschaftskommunikation“, des alljährlichen Branchentreffs, das vom Veranstalter Wissenschaft im Dialog (WiD) in diesem Jahr nach Braunschweig vergeben war. Nichts von großen Konzepten zur Kommunikation, kaum etwas vom großen Problemthema unserer Tage, dem Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft. „Techniken und Werkzeuge der Wissenschaftskommunikation“, lautete auch brav und ohne Anspruch das Thema der Tagung, Handwerkszeug und Fortbildung pur.

Selbst das Thema „Fake news“ wurde eher als technisches Problem mit Lösungsvorschlägen abgetan, zuvorderst „Storytelling“ – als ob dies Menschen erreichen könnte, die gar nichts von Fakten, Experten und Wissenschaft wissen möchten. Und die, gepaart mit ihrem wachsenden Einfluss in der Gesellschaft, sind doch das aktuelle Problem der „Fake news“, nicht etwa dass es Falschmeldungen gibt, wie schon früher immer und wohl auch in Zukunft.

Der Fortschritt von Wissenschaft und Technik hat nur noch wenig Wert: Technikhistoriker Prof. Ulrich Wengenroth.

Da war es in all dem Kleinklein des Handwerks und der Werkzeuge eine wohltuende Ausnahme, dass der Münchener Technikhistoriker Prof. Ulrich Wengenroth (TU München) den Blick auf die Gesellschaft öffnete – zwar mit einem mißverständlichen Vortragstitel, aber mit einer grandiosen Analysen über die Folgen des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts der letzten zwei Jahrhunderte für die Glaubwürdigkeit der Forschung. Sein Fazit: Die wesentlichen Errungenschaften des naturwissenschaftlichen Zeitalters liegen hinter uns – hinter uns(!), hier in den entwickelten Industrieregionen. Er nannte etwa die Verlängerung der Lebenszeit, das Ende schwerer körperlicher Arbeit, sauberes Wasser, beheizte Wohnungen und ein Ende des Hungers. Alle neuen und künftigen Errungenschaften bewegen sich nur noch in den Dimensionen des Lifestyles, sind Verbesserungen, können  aber keine existenziellen Probleme mehr lösen, denn die sind ja schon gelöst. Zugleich wurden die großen Risiken aus Naturereignissen immer mehr reduziert, so dass die Risiken von technischen Neuerungen heute größer erscheinen als die der Natur. Das Ergebnis: Den Menschen ist es nicht mehr so wichtig, was Wissenschaft und Technik tun. Und mit Dank, so mein persönlicher Kommentar, darf im gesellschaftlichen Verteilungskampf niemand rechnen.

Licht und Schatten in der Stadthalle Braunschweig: Wohin entwickelt sich das Forum Wissenschaftskommunikation?

Eine zweite Sitzung beim „Forum Wissenschaftskommunikation“ reichte ebenfalls weit über das Handwerkliche hinaus, obwohl es eigentlich nur um das Format einer Diskussionsveranstaltung ging, die das Nawik anhand eines aktuellen Themas vorführen wollte: Die Unterhaus-Debatte. Dabei werden den Zuhörern nach zwei parteiischen Kurzreferaten nacheinander polarisierende Fragen gestellt und entsprechend der Zustimmung oder Ablehnung müssen sie sich auf die eine oder andere Seite des Saals setzen (wie Regierungspartei und Oposition im britischen Unterhaus – daher der Name). Ein schönes Format, das bei umstrittenen Themen den Argumenten beider oder aller Seiten viel Raum gibt, das Zuhörer aktiviert (die sich ständig umsetzen müssen) und das die Zuhörer mit ihren Meinungen ernsthaft mit einbezieht (denn sie werden vom Moderator geziehlt befragt). Ein Format allerdings, das entscheidend von der Qualität der Vorbereitung (die Fragen!) und der Qualität des oder der Moderatoren abhängt.

Nun gut, das sollte demonstriert werden, anhand eines Themas zu Forschung und Ethik, bei dem Forschung polarisiert: Forschung an demenzerkrankten, nicht zustimmungsfähigen Patienten. In dieser Demonstration zeigte sich zum einen die besondere Qualität dieses Formats, zum anderen aber auch ein besonderer Problemfall für die Wissenschaftskommunikation: Zum ersten, die Kommunikationsprofis der Tagung wurden von Thema und Debatte emotional so gefesselt, dass es lange Zeit nicht um das Format, sondern um ganz persönliche ethische Einstellungen und um Glaubensbekenntnisse ging. Zum zweiten aber auch, welche Qualitäten von einem Wissenschaftskommunikator gefragt sind, der weit über Demenzforschung hinaus beschlagen sein muss, um die richtigen Antipoden für die Impulsreferate zu finden und zu briefen. Hier etwa ging es um ganz unterschiedliche Sichtweisen der Philosophie, die dann die Grundlage individueller ethischer Einstellungen bilden.

Das waren aus meiner Sicht zwei Highlights des Forums, für die es sich gelohnt hat, den Weg nach Braunschweig zu machen. Ansonsten ging es vor allem um Handwerkszeug. Die Frage stellt sich, ob dies der Weg ist, den das Forum Wissenschaftskommunikation in Zukunft nehmen will – eine bundesweite Fortbildungstagung der Wissenschaftskommunikation. Fortbildung ist wichtig, sehr wichtig sogar. Allerdings  zeigt sich  in anderen Bereichen, dass kleine, regionale, gezielte Seminare den bessern Nutzen bei geringerem Aufwand bringen.

Handwerkszeug: Lernen wie animierte GIFs entstehen. Ein selbstgebasteltes Ergebnis (zusammen mit Marie Heidenreich und Nicole Hurtz): Der Spruch des Tages, zitiert nach Prof. Rolf Nohr aus der Session „Fake News“.

Natürlich ist es ganz nett und wertvoll, zu lernen, wie schnell und leicht sich animierte GIF-Bilder für den Einsatz im Internet, bei Twitter, Facebook oder im Blog erstellen lassen – ein Workshop in den ich mich noch unangemeldet reingeschlichen habe, das Ergebnis sehen Sie in diesem Blogpost. Aber wäre das allein den Aufwand wert gewesen – für mich von zwei Tagen mit An- und Abreise, Hotelübernachtung und dazu die Riesen-Organisation der Tagung mit 500 Teilnehmern, von Locationmiete, Catering bis zur Abendbeschäftigung (dabei habe ich mir schon zwei Tage des Programms gespart, sonst wäre der Aufwand für mich persönlich noch größer)?

Natürlich ist immer wieder das Kennenlernen, Treffen und Ratschen mit den Kollegen dabei, dessen Wert kaum zu unterschätzen ist. Doch nein, wenn nicht Sinnstiftung für die Wissenschaftskommunikation dazu kommt, wenn nicht aktuelle Entwicklungen und Probleme angesprochen, wenn nicht Konzepte und Perspektiven dazu kommen, die eine zielorientierte Ausrichtung der eigenen Arbeit ermöglichen, dann ist es das nicht wert. Und ohne diese strategische Ausrichtung wird es wohl auch keine Chance geben, Wissenschaftler zu der Tagung zu bekommen. Das wäre aber bitter notwendig, um die Kluft zwischen Wissenschaft und ihren Kommunikatoren zu überbrücken. Selbst die Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR, die eigentlich zum noch unterentwickelten Handwerkszeug gehören und dringen in der Branche breit diskutiert werden sollten, kamen lediglich in einer Satellitenveranstaltung außerhalb des eigentlichen Forums zum tragen. Ich denke, das wäre kein erfolgversprechender Weg für das jährliche Forum und auch kein zukunftsorientiertes Ereignis für die Wissenschaftskommunikation in Deutschland.