#fwk18
Ein Kommentar
Vor fast zwei Jahren gab der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Prof. Peter Strohschneider, diesem Blog ein aufrüttelndes Interview: „Wir haben dramatische Vermittlungsprobleme“. Darin beschrieb das schwierige Verhältnis der Wissenschaft in einer sich rasant verändernden Gesellschaft. In diesen Tagen fuhr ich zum „Forum Wissenschaftskommunikation“ nach Bonn, wo Strohschneider als Eröffnungsredner angekündigt war, um zu hören, welche Konsequenzen und Einsichten aus dieser Erkenntnis des DFG-Präsidenten inzwischen erwachsen sind.
Doch Strohschneider war verhindert, kurzfristig sprang seine Vizepräsidentin ein, Prof. Julika Griem, Literaturwissenschaftlerin (wie Strohschneider) und neu installierte Direktorin des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen, das sich unter anderem „Kommunikationskultur“ auf die Fahnen geschrieben hat. Sie hielt – geschliffen formuliert – den versammelten Wissenschaftskommunikatoren eine drastische Philippika, in der sie (als Erzählforscherin!) Emotionalisierung, Storytelling, Eventisierung und problematische Vereinfachungen geiselte. (Zur Dokumentation haben wir ihren Vortrag „Zumutungen. Wissenschaftskommunikation und ihre Widersprüche“ mit Genehmigung der Autorin hier veröffentlicht.)
Dabei wurde deutlich, dass Prof. Strohschneider noch nicht einmal seine Vizepräsidentin von den gesellschaftlichen Problemen der Wissenschaft überzeugen konnte. Vermittlungsprobleme? Davon war bei Prof. Griem nichts zu hören. Stattdessen mokierte sie sich über einzelne Formulierungen, etwa den Titel der ZDF-Sendung „Frag den Lesch“ und warf gleich die ganze Sendung in einen Topf mit „Schlag den Rab“, als ob nicht „Frag den …“ ein klassischer Titel wäre, den auch viele Wissenschaftler benutzen (z. B. „Frag den Prof!“ – Max-Planck – oder „Frag den Professor“ – führende Mediziner). Oder sie verdammte die dramaturgische Vorgehensweise, das Publikum „abzuholen“: „…als ginge es in der Wissenschaftskommunikation vor allem darum, den Flixbus zum nächsten Science Slam zu besteigen“. Ende – keine Argumente.
Ganz besonders wehrte sie sich gegen das – seit Jahrhunderten immer wieder benutzte – Wortbild von Wissenschaft als „Abenteuer“. Nein, Wissenschaft sei vor allem harte Arbeit, mit „Regelverstößen, Machtkonflikten und Verteilungskämpfen“, und verbunden mit der Fähigkeit, die Wartezeit ökonomisch zu nutzen. Und gipfelte in der Forderung: „Was wir aus meiner Sicht aber brauchen, ist kein barrierefreier Abenteuerspielplatz. Sondern ein bisschen mehr hartnäckiger und frustrationstoleranter Ernst für die Sache. Und das Vertrauen, dass sich gerade aus Konflikten, Spannungen, Widersprüchen und Perspektivenvielfalt kommunikative Funken schlagen lassen.“
„Zumutungen“ hatte Prof. Griem ihren Vortrag überschrieben: Ja, gern, denn sie regen zum Nachdenken an. „Zumutbar“?, wie sie im Vortrag dann selbst behauptete – das kommt darauf an. Insbesondere darauf, ob man sagt, was Wissenschaftskommunikation erreichen soll. Doch über Ziele verlor die DFG-Vizepräsidentin kein Wort. Allerdings wurde klar, dass sie das Ziel der Wissenschaftskommunikation darin sieht, die schwere Arbeit der Forscher (geprägt von Wartezeit, Durchhaltevermögen, Konflikten und Regelverstößen) so zu schildern, wie sich die Wissenschaftler selbst gern sehen. Das aber ist die Kommunikationskultur der Selbstdarstellung, die sofort die Frage aufwirft, wen sie erreicht: Es geht nur darum, das eigene Ego zu befriedigen, allein „im Vertrauen auf einen kommunikativen Funken“. Der Elfenbeinturm wirft noch immer seinen Schatten.
Was dagegen Not tut, angesichts der absehbaren – vor allem auch der heute nur erahnbaren – Probleme der Wissenschaft mit einer Gesellschaft, die auf Transparenz und Partizipation drängt, ist eine Kommunikation, die auch wirklich die Menschen in dieser Gesellschaft erreicht. Denn diese Menschen sind zugleich überfordert von einer Kakophonie relevanter und irrelevanter Informationen. Zum knappen Gut Aufmerksamkeit hat die Literaturwissenschaftlerin Griem aber nichts gesagt. Sie will das Publikum „zärtlich überfordern“, was immer das ist. Und übersieht dabei, dass es hier um einen harten Wettbewerb mit allen anderen Kräften der Gesellschaft geht, in dem es heißt, wettbewerbsfähig zu kommunizieren, um deutlich zu machen, dass Wissenschaft ein wichtiger, ja unverzichtbarer Teil dieser Gesellschaft ist, und dass sie gewisse, von der Gesellschaft gewährte Privilegien braucht, um leistungsfähig zu sein.
Das Ziel kann nicht sein, sich selbst darzustellen, wie man es am liebsten mag, sondern zuzuhören, um die knappe Aufmerksamkeit zu kämpfen und den Menschen adäquat die Rolle und die Bedeutung von Wissenschaft zu zeigen. DFG-Präsident Prof. Strohschneider, so folgere ich aus seinem Interview, hat das erkannt. Er muss ganz offensichtlich noch viel Überzeugungsarbeit leisten.
Josef König
13. November 2018
Lieber Herr Korbmann,
ich sehe die Rede etwas deutlich anders – siehe:
https://www.widderworte.de/2018/11/wisskomm-gegen-den-strich/
Viele Grüße
Josef König
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Reiner Korbmann
13. November 2018
Und das habe ich auch schon „etwas deutlich“ kommentiert, denn ich glaube, Sie übersehen da einen wichtigen Aspekt.
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