Qualitätskriterien Ja! – Warum aber mit Journalisten?

Posted on 29. September 2014

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Brauchen wir den Handschlag zwischen Wissenschaftskommunikation und Journalismus? (Foto:  K.Gastmann/ Pixelio)

Brauchen wir einen Handschlag zwischen Wissenschaftskommunikation und Journalismus? (Foto: K.Gastmann/ Pixelio)

Es tut sich wirklich etwas in diesem „heißen Sommer der Wissenschaftskommunikation“. Nach dem Aufruf des Siggener Kreises  von den Forschungssprechern, nach der Anti-Push-Studie „Wissenschaft, Öffentlichkeit, Medien“ (WÖM) der deutschen Wissenschafts-Akademien, nach der turbulenten Tagung „Image statt Inhalt? – Brauchen wir eine bessere Wissenschaftskommunikation“ und dem Echo darauf (als Storify und als Reblog mit Kommentar) – zusammengefasst in einer ansehnlichen Linkliste von Marcus Anhäuser – haben sich jetzt sechs Kollegen (Christian Mrotzek (DESY), Franz Ossing (Helmholtz-Zentrum Potsdam), Jan-Martin Wiarda (Helmholtz Gemeinschaft), Thomas Windmann (KIT), Doris Wolst (Helmholtzzentrum Umweltforschung), Josef Zens (Max Delbrück Centrum) aus der Helmholtz-Gemeinschaft hingesetzt und ein grundlegendes Papier zur „Neubestimmung der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Wissenschafts-PR und Medien“.

Das Papier der sechs Helmholtz-Sprecher im Blog "Remote Zensing".

Das Papier der sechs Helmholtz-Sprecher im Blog „Remote Zensing“.

Absolut lesenswert, nicht zuletzt auch wegen der gelungenen Darstellung der historischen Entwicklung, sowohl der Situation der Medien als auch der Wissenschaftskommunikation. Andererseits aber auch diskutierenswert, denn manche Beschreibung bleibt unscharf, einzelne Defintionen widersprüchlich, manche Schlussfolgerung unverständlich. Die Kernbotschaft aber ist voll zu unterschreiben:Wissenschaftskommunikation braucht Qualitätskriterien. Hier gleich auch mein großes Aber: Warum sollte man diese Kriterien gemeinsam mit Wissenschaftsjournalisten entwickeln, und wenn ja, warum nur mit ihnen?

In ihrem Papier zur Wissenschaftskommunikation beschreiben die sechs Helmholtz-Kollegen sehr treffend, welche Veränderungen das Internet in der Medien- und

Josef Zens

Josef Zens

Kommunikationslandschaft ausgelöst hat, die auch noch längst nicht alle bewältigt sind. Die traditionellen Printmedien, vor allem die aktuellen, sind mitten in einer tiefen Strukturkrise (beim Fernsehen beginnt sie gerade), die Verlage machen Verluste, schließen Zeitungen, dünnen die Redaktionen aus – ihr Geschäftsmodell funktioniert schlicht nicht mehr. Journalisten sind unmittelbar Betroffene dieser Krise, natürlich die Redakteure, noch mehr aber die freien Journalisten, die im Wissenschaftsjournalismus eine besonders wichtige Rolle spielen (wahrscheinlich eine größere als die Redakteure). Wissenschaftsjournalisten sind Getriebene, absehbar wohl sogar Verlierer der Krise, die Zukunftsperspektiven sind düster. Dies beschreiben die Kollegen. (Und mir, als langjährigem begeisterten Wissenschaftsjournalist,  bereitet dies große Sorge und blutet das Herz.)

Doris Wolst

Doris Wolst

Die Wissenschaftskommunikation in Deutschland ist tatsächlich im Umbruch, im Gegensatz zu den Printmedien aber auf dem aufsteigenden Ast. Ich würde nicht so weit gehen, wie die Helmholtz-Kollegen und es als „außergewöhnlich gut entwickeltes Feld“ bezeichnen. Aber zweifellos hat sich seit PUSH viel entwickelt, und es zeichnet sich ab, dass dies zunächst so weiter geht. Denn nicht nur der Bedarf der Wissenschaft und der Gesellschaft an Kommunikation wachsen, auch die Medientechnik fordert mehr Kommunikation (und mehr Kommunikationsarbeit): eben durch das Internet. Wissenschaftskommunikation hat jetzt die Möglichkeit, wichtige Zielgruppen direkt zu erreichen, ohne den Umweg (und die wissenschaftsfremden Selektionsmechanismen) der journalistischen Medien. Auch dies beschreiben die Kollegen, wenn vielleicht auch nicht ganz so klar.

Christian Mrotzek

Christian Mrotzek

Das bedeutet aber – im Gegensatz zu früher, wo Journalisten (neben den Wissenschaftlern) fast die einzigen, auf jeden Fall die wichtigsten Ansprechpartner der Pressestellen waren – heute greift der Begriff „Pressestelle“ viel zu kurz für die Arbeit der Wissenschaftskommunikation (ebenso wie der Begriff „Wissenschafts-PR“ für die Wissenschaftskommunikation). Journalisten – erst recht die relativ kleine Teilmenge „Wissenschaftsjournalisten“ – sind nach wie vor wichtige „Kunden“ der Forschungssprecher, daneben gibt es heute viele andere – Politiker, Beamte, Schüler, Lehrer, Nachbarn, Kommunalverwaltung etc. etc – die es zu betreuen gilt.

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Franz Ossing

Partner, im Sinn von Gemeinsamkeit, waren die Journalisten nie! Auch nicht die Wissenschaftsjournalisten. Sie gehören nicht zum System Wissenschaft, sondern zum System Medien, müssen nach diesen Gesetzen arbeiten und urteilen, die ganz andere sind als die Regeln, Normen und Werte der Wissenschaft. Auch sind die Anforderungen und Qualifikationen von Kommunikatoren ganz andere als von Journalisten.

Jan-Martin Wiarda

Jan-Martin Wiarda

Ich verstehe deshalb überhaupt nicht, weshalb die Helmholtz-Kollegen Qualitätskriterien der Wissenschaftskommunikation zusammen mit den Wissenschaftsjournalisten erarbeiten wollen. Schließlich haben die Journalisten – schon aus der unterschiedlichen Systemzugehörigkeit – zwangsläufig ganz andere Qualitätsvorstellungen. Einzige Begründung im Papier der Helmholtz-Sprecher ist eine ziemlich fragwürdige Definition: Dass auch Wissenschaftsjournalismus Wissenschaftskommunikation betreibt. „Denn auch die Wissenschaftsjournalisten sind Wissenschafts-Kommunikatoren.“

Thomas Windmann

Thomas Windmann

Das kann man so sehen. Dann müsste man aber Lehrer, Blogger und viele weitere, eventuell sogar Werbetexter und Handbuchredakteure, ebenfalls mit einbeziehen, denn auch sie kommunizieren, gelegentlich oder regelmäßig wissenschaftliche Inhalte. Ich halte es da eher mit der angelsächsischen Definition von Science Communication: Nicht jeder, der singt ist Sänger. Nicht jeder, der wissenschaftliche Inhalte kommuniziert, ist Wissenschafts-Kommunikator.

Um Kommunikator zu sein, genügt es nicht, zu kommunizieren. Sonst wäre es jeder (Niemand kann nicht kommunizieren, lautet der berühmte Satz von Paul Watzlawick). Dazu gehört vielmehr aus meiner Sicht das gezielte Auseinandersetzen, Beherrschen und Managen des komplexen Vorgangs Kommunikation. Journalisten beherrschen Recherche, Schreiben und Darstellung. Viele Journalisten haben die nötigen Qualifikationen dazu gelernt und sind hervorragende Kommunikatoren geworden, aber zum eigentlichen Berufsbild der Journalisten gehören diese Fähigkeiten nicht. Da wären die Wissenschaftler schon eher die geeigneten Verbündeten, wenn es gilt, Qualitätskriterien für die Wissenschaftskommunikation zu entwickeln.

Überhaupt: die Definitionen. Da geht bei den sechs Helmholtz-Kommunikatoren manches daneben. Da wird etwa Wissenschaftsjournalismus ganz generell definiert als „…die Berichterstattung über Wissenschaftsthemen in den traditionellen und neuen Medien.“ Immerhin aber wird – das wissen die sechs Praktiker – der größere Teil der Wissenschaftsinformationen in den Medien nicht von Wissenschaftsjournalisten im klassischen Sinn beigesteuert. Das gilt erst recht, wenn man auch noch die neuen Medien – Internet – hinzunimmt. Später verstehen sie in ihrem Papier unter Wissenschaftsjournalismus dann stillschweigend doch wieder das, was man klassischerweise darunter versteht: Journalisten, die sich intensiv mit den Inhalten und dem Wesen von Wissenschaft auseinandersetzen.

Wissenschaftskommunikation heißt in diesem Papier „Wissenschafts-PR“ und wird beschrieben als die Arbeit in den Pressestellen – wenig später wird beschrieben, dass es in Zeiten des Internets längst keine exklusiven Presse-Anlaufstellen mehr braucht. Ganz abgesehen von der negativen Konnotation, den der Begriff PR im Allgemeinen hat (Michael Sonnabend hat dies in seinem Blog gerade wieder beschrieben und verwendet dennoch den Begriff „Wissenschafts-PR“), gehen die Aufgaben einer Kommunikationsabteilung heute weit über die reine PR hinaus. Ich denke, Forschungssprecher ist der bessere Begriff als Pressesprecher einer Forschungseinrichtung. Und Wissenschaftskommunikation wird im Papier der Helmholtz-Sprecher schließlich definiert als „verbindende Klammer zwischen PR und Journalismus“, was immer das heißt – aber: Braucht es diese Klammer? Haben andere damit nicht auch schon schlechte Erfahrungen gemacht?

Noch ein Widerspruch: Einerseits wird „unsaubere Wissenschafts-PR“ in Deutschland als „Randerscheinung“ bezeichnet, andererseits sieht man Qualitätskriterien als eine der wichtigsten Aufgaben für die Wissenschafts-PR an.

Und schließlich:Warum beschränken sie sich auf die „Schnittstelle Wissenschafts-PR und Wissenschaftsjournalismus“? Was die Wissenschaftskommunikation angeht, geht es doch heute um weit mehr als um das, was in den Medien steht. Es geht darum, eine sachgerechte Kommunikation der Wissenschaft mit den übrigen Teilen der Gesellschaft in Gang zu halten (und erst einmal in Gang zu bekommen), wissenschaftliche Inhalte zu vermitteln, die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft zu stärken und die notwendigen Rahmenbedingungen für die Arbeit der Wissenschaft zu erhalten (die von der Gesellschaft gesetzt werden). In diesem Feld müssen sich Qualitätskriterien der Wissenschaftskommunikation einmal bewähren, nicht bei den Journalisten.