Mit Web 2.0 fängt’s erst an – Existenzfrage Kommunikation, aber wie?

Posted on 21. September 2012

4


Social Media – ein Kennzeichen des zunehmenden Informations- und Partizipationsanspruchs in der Gesellschaft.

Wissenschaftskommunikation ist eine Existenzfrage für die Wissenschaft, wenn sie mittel- und langfristig in dieser Gesellschaft erfolgreich arbeiten will. Darüber waren sich alle Sprecher und die Diskutanten aus dem Publikum schnell einig bei der großen Tagung der GDNÄ in Göttingen bei der das Symposium „Kommunikation tut Not“ die Frage stellte „Bleibt die Wissenschaft am Rand der Informationsgesellschaft?“

Viele interessante Analysen wurden aufgetischt, Meinungen präsentiert, Konzepte skizziert und Lösungswege von den Sprechern angeboten: von Dr. Volker Meyer-Guckel vom Stifterverband, von Martin Schneider, dem Vorsitzenden der Wissenschaftspressekonferenz, von Dr. Katrin Rübberdt, Leiterin Öffentlichkeitsarbeit der Dechema und von Dr. Carsten Könneker, dem künftigen Direktor des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation in Karlsruhe (NaWik) – und ich hielt mich als Moderator auch nicht zurück mit den wichtigsten Thesen aus dem Papier „Kommunikation tut Not“.

Meyer-Guckel zog eine ernüchternde Bilanz der vor 13 Jahren gestarteten PUSH-Initiative: Was bisher geschehen ist, sei im Grunde nichts anderes als Wissenschaftsmarketing – den Menschen im Lande Wissenschaft und ihre Inhalte zu erklären, für Akzeptanz und Motivation zu werben. Das war besonders spannend, da er selbst ja seit Jahren mit dem Stifterverband zu den Protagonisten der PUSH-Initiative gehört. Setzt da ein Umdenken ein? Kommunikation, so Meyer-Guckel, sei ein zweiseitiger Prozess, zu dem auch das Zuhören gehört, angesichts des gesellschaftlichen Wandels auch die Partizipation. Wer das genauer nachlesen möchte, kann dies hier tun. In den nächsten Tagen erscheint im Blog „Wissenschaft kommuniziert“ der Text Meyer-Guckels als Gastbeitrag.

Ganz am Rande beobachtet: Im Saal in Göttingen saß auch der Initiator der PUSH-Initiative, Prof. Joachim Treusch, seinerzeit Vorsitzender der Helmholtz-Gemeinschaft, heute Präsident der Jacobs-Universität Bremen. Er verfolgte die Diskussion kommentarlos, blieb auch, als er zu einer Stellungnahme aufgefordert wurde, für seine Verhältnisse ziemlich blass. Ob er da schon zu sehr über seinen Abschied als Kuratoriumsvorsitzender der Wissenschaftspressekonferenz nachgedacht hat, der unmittelbar nach unserem Symposium in Göttingen stattfand? Es wäre schade, wenn er sich zurückzieht, eine wichtige und weitsichtige Stimme für die Wissenschaftskommunikation gäbe es weniger. Vor allem auch: Er versteht es als argumentationsstarker Wissenschaftler, seinen Wissenschaftskollegen immer wieder die Bedeutung der Wissenschaftskommunikation klarzumachen. Das wirkt viel stärker, als wenn wir Kommunikatoren immer wieder sagen, wie wichtig unsere Arbeit für die Wissenschaft ist.

Über die Bedeutung der Kommunikation waren sich – siehe oben – alle auf dem Podium einig. Doch über den Weg, wie Wissenschaftskommunikation am besten stattfindet, gab es recht verschiedene Meinungen. Martin Schneider etwa sang das hohe Lied der Wissenschaftsjournalisten – kein Wunder. Natürlich müsse sich der Wissenschaftsjournalismus wandeln. Das Erklären von Naturphänomenen übernähmen Forscher, Pressestellen und das Worldwideweb heute besser, aber das  Einordnen, das Bewerten, das Hinterfragen und die Aufdeckung versteckter Interessen sei nach wie vor eine genuin journalistische Aufgabe. Damit werden Wissenschaftsjournalisten vom Übersetzer (was schon in der Vergangenheit immer ein weit verbreitetes Missverständnis war) zum kritischen Begleiter.

Katrin Rübberth, erfahrene Öffentlichkeitsarbeiterin bei der Dechema, nahm die Zusammenarbeit von Wissenschaftler und Kommunikator ins Visier. Wissenschaftler sollen mehr kommunizieren, auch in die Lage versetzt werden, verständlich zu sprechen, Interviews, Artikel oder Vorträge spannend und verständlich zu präsentieren, als Kommunikationsmanager aber seien sie überfordert. Strategien entwickeln und sie zu realiseren, Wissenschaftler auf Augenhöhe beraten, ihnen bei bestimmten Dingen zuraten, sie aber auch zu bremsen oder ihnen die Realitäten aus der Außensicht entgegenhalten, das sei Aufgabe des Kommunikators. Ihre Folien bieten regelrecht ein Drehbuch für die Zusammenarbeit von Wissenschaftler und Forschungssprecher:

Carsten Könneker hatte es schwer. Gerade fünf Tage vorher war er zum Direktor des neuen Instituts „NaWik“ ernannt worden, auf das viele die Hoffnungen setzen, dass hier endlich einmal in Deutschland Wissenschaftskommunikation in all ihren Facetten gelernt werden kann. Und da sollte er schon öffentlich seine Vorstellungen präsentieren. Glücklicherweise ist er kein Neuling in dem Metier, über sein Buch haben wir hier vor kurzem – kritisch – berichtet. Er machte eindeutig klar, dass am NaWik in Karlsruhe ausschließlich Wissenschaftler lernen sollen, besser zu kommunizieren. Was das bedeutet, außer Rhetorik-, Schreib- und Interviewtraining, ließ er offen – verständlicherweise, so kurz nach der Ernennung. Er sieht Kommunikatoren vor allem als Berater und Coaches der Wissenschaftler. Auch da blieb offen, wer dann die aufwändige und schwierige Aufgabe des Managements übernehmen soll, zu dem Konzepte genauso gehören wie Erfolgskontrolle.

Noch kurz zur Vervollständigung: Über meine zehn Thesen zur Wissenschaftskommunikation in der Informations- und Partizipationsgesellschaft wurde hier schon berichtet. Vorweg zeigte ich drei Folien (zwei davon dankenswerterweise von Carsten Könneker zur Verfügung gestellt).

Sie machen deutlich, wie sich die Informationslandschaft verändert: Zeitungen und Zeitschriften verzeichnen dramatische Auflageverluste, das Internet steht in der Mediennutzung bereits weit vor ihnen, die durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer hat sich in den letzten 15 Jahren vervierzigfacht (!) von zwei auf 80 Minuten. Interessanterweise bleiben Radio und Fernsehen praktisch konstant (vielleicht liegt das auch daran, dass die repräsentativen Langzeitdaten aus der ARD/ZDF-Onlinestudie stammen, die seit 1997 jährlich durchgeführt wird). Die Zahlen und meine Folien finden Sie hier:


Ein knappes Fazit: Durch verspäteten Beginn des Symposiums und zu lange Präsentationen (ich muss beim nächsten Mal strenger mit den Referenten umgehen) blieb am Ende zur Diskussion nur wenig Zeit, zu wenig auf jeden Fall, um inhaltlich die unterschiedlichen Standpunkte zu hinterfragen: Wie schaffen Wissenschaftler – außer einigen Naturtalenten – den Spagat zwischen Emotionalität der Kommunikation und Rationalität der Wissenschaft? Wo kommen die Kommunikatoren her, die gut genug ausgebildet sind um Berater, Manager oder Coaches für die Forscher zu sein? Wer soll denn journalistische Qualität im Alles-gratis-Internet in Zukunft bezahlen? Und… und … und… Der erhoffte große Aufschlag war es nicht, das Symposium in Göttingen, aber eines wurde allen klar: Wir müssen die Wissenschaftler dazu bringen, über die Wissenschaftskommunikation zu diskutieren und nachzudenken. Sie sind es, die alles entscheiden, von der Ausbildung an den Hochschulen bis zum Berufsbild und zum Stellenwert des Kommunikators. Auf gehts, Ideen und Aktivitäten sind gefragt.