Mehr Selbstbewusstsein, liebe Kollegen. Die Zeiten sind vorbei, da es dort die großen Wissenschaftler gab, die alles wussten, vieles sogar besser – und hie die kleinen Kommunikatoren, Pressesprecher, Forschungssprecher. (Ja nicht einmal ein zugkräftiger Namen hat sich für diesen Beruf bislang gefunden.) Denn wir leben jetzt in der Informationsgesellschaft. Die sich ausweitet zur Partizipationsgesellschaft – wo der Bürger mitreden will.
Und in der Informationsgesellschaft, so ein gerade veröffentlichtes Thesenpapier, kommt es mehr darauf an, was von jemandem wahrgenommen wird, als was er tatsächlich tut. Und wenn niemand die Wissenschaft wahrnimmt, weil sie in der Informationsflut neben Sport, Politik, Kultur und Unterhaltungsbusiness untergeht, dann wird die Wissenschaft auch viele ihrer Privilegien verlieren, die sie hat und die sie braucht um erfolgreich zu arbeiten. Große und kleine Privilegien, wichtige und eher nebensächliche – angefangen von der großzügigen öffentlichen Finanzierung bis hin zu Details in vielen Dingen, etwa im Beamtenrecht oder – heute noch – bei der selbstgesteuerten Vergabe von Transplantationsorganen. So die zehn Thesen. Es bröckelt tatsächlich schon.
Einzig sinnvoller Ausweg: Wissenschaft macht mit im professionellen Informieren. Erste Voraussetzung: Gute Ausbildungsmöglichkeiten in Wissenschaftskommunikation, gleichzeitig professionelle Fortbildungsangebote für diejenigen, die heute oft als Autodidakten diese Arbeit tun müssen, oder nebenher. Da trifft es sich gut, dass gerade heute der erste Leiter des „Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation (NaWik)“ ernannt wurde, das am KIT in Karlsruhe als künftige Ausbildungsstätte (siehe auch hier im Blog) entsteht. Es ist der Chefredakteur von „Spektrum“, Dr. Carsten Könneker. Er hat viele gute Gedanken, hoffentlich setzt er sie besser um als in seinem Buch (siehe http://wp.me/p1XAlm-cJ).
Zweite Voraussetzung: Hierarchische Einordnung und Berufsbilder für die Kommunikatoren, um in der Wissenschaftskommunikation attraktive und wirkungsvolle Positionen zu bieten und Anerkennung der Kommunikatoren durch die Wissenschaftler zu erreichen als Berater, die – gut ausgebildet – mit Forschern auf Augenhöhe Strategien und Botschaften abstimmen, sie beraten, den Dialog mit der Gesellschaft konzipieren. Soweit das Thesenpapier.
Darüber und über andere Aspekte der Wissenschaftskommunikation wird am auch Samstag beim großen Kongress der GDNÄ – Die Wissensgesellschaft in Göttingen diskutiert im Symposium „Kommunikation tut Not – Bleibt Wissenschaft am Rand der Informationsgesellschaft?“ (13.00-15.00 Uhr, bereits hier angekündigt) diskutiert. Kollege Könneker ist übrigens ganz frisch in Göttingen mit dabei.
Das Thesenpapier „Kommunikation tut Not“ können sie im Internet hier herunterladen.
Diskussionen und Kommentare dazu sind hier im Blog hochwillkommen. Gerade von denen, die anderer Meinung sind.
Kathrin Rübberdt
18. September 2012
Was mir bei der ganzen Diskussion zu kurz kommt: Wir reden *über* die Wissenschaftler, die kommunzieren müssen / nicht können / sich dabei helfen lassen sollen. Ich würde mir wünschen, dass wir mehr *mit* den Wissenschaftlern reden. Die schönsten Modelle, Ideen und Fortbildungsmöglichkeiten helfen nichts, wenn eine ganze Gruppe von Akteuren nicht gefragt und einbezogen wird. Ansprechpartner müssten dabei diejenigen sein, die bisher noch nicht viel machen, die bloggenden Wissenschaftler sind schließlich schon bekehrt.
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Reiner Korbmann
15. September 2012
Thomas Gazlig, lange Jahre Kommunikationschef der Helmholtz-Gemeinschaft, schickte mir per E-Mail folgenden Kommentar:
Ich finde Ihr Thesenpapier gut und teile insbesondere die Thesen 2, 3 und 4 sowie das Fazit. Ich stimme Ihnen nicht zu, dass Wissenschaftskommunikation etwas Spezielles ist. Für mich ist das nur eine Form der Unternehmenskommunikation, was ich ja auch schon öfters mal gesagt habe. In die mangelnde Professionalität würde auch die Kleinteiligkeit (Stichwort „Logomanie“) passen, die die deutsche Wissenschaftskommunikation leider kennzeichnet und die uns sowohl bei der nationalen als auch internationalen Positionierung schadet.
Auch was die Augenhöhe angeht, haben Sie recht. Das hängt aber meist direkt mit Professionalität zusammen. Bei Helmholtz hatte ich vor meinem Ausscheiden die Augenhöhe auch auf Ebene der Vorstände – viele Pressesprecher anderer Einrichtungen hatten diese nicht, was sowohl die eigentliche Arbeit als auch die Entwicklungsmöglichkeiten stark einschränkte. Vielleicht ist es auch in der Tat ein Problem, überhaupt von Pressestellen und Pressesprechern zu sprechen – Kommunikation ist heute eine Managementaufgabe, die einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg einer Organisation leistet. Diese Aufgabe kann sie aber nur erfüllen, wenn sie professionell arbeitet – und es ist halt ein Unterschied, ob ich Besuchergruppen bei Tag der offenen Tür führe (was früher die Hauptaufgabe war) oder z.B. ein proaktives Krisenmanagement in den Bereich Social Media entwickle und umsetze. Letzteres kann ich nur machen, wenn ich exzellent ausgebildet bin und gleichzeitig über die nötiges Praxiserfahrung verfüge.
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Reiner Korbmann
14. September 2012
Lieber Herr Gerber,
ein Glück, dass im Web 2.0 alles so schön vernetzt ist. Ich finde es schon interessant, dass Kollege König, dessen berufliche Leistung ich sehr schätze, sich nicht hier, sondern in Ihrem Blog zum Thesenpapier äußert. Ich werde ihm natürlich auch dort antworten.
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Alex Gerber, innokomm
14. September 2012
Ein (sehr kritischer) Kommentar zu Ihren Thesen ist übrigens gestern hier von Kollege König (Leiter Kommunikation der Ruhr-Uni Bochum) eingegangen >> http://scienceblogs.de/sic/2012/09/13/korbmanns-9-thesen/
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Reiner Korbmann
13. September 2012
Ja, ja die Praktiker der Wissenschaftskommunikation. Leider sind sie oft wie der Prophet im eigenen Lande.
Ich habe diese Thesen, die sicher vielen Praktikern bewusst sind, einmal zusammengestellt, um sie schriftlich festzuhalten, damit sie von eben diesen Praktikern als Argument verwendet werden können. Sie sollen für sie Werkzeug sein, um das anzustoßen was notwendig ist. Die Thesen richten sich eigentlich an die Wissenschaftler, ihre Repräsentanten und Institutionen. Auf sie kommt es an. Sie setzen die Tagesordnung, bei ihnen muss ein Umdenken in Gang gesetzt werden – dass Wissenschaftskommunikation nicht eine großzügige Geste gegenüber der Gesellschaft ist, sondern eine Priorität, wenn nicht sogar langfristig eine Existenzfrage für die Wissenschaft.
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Alex Gerber, innokomm
14. September 2012
…das mit der „großzügigen Geste“ trifft es sehr gut. Vor ein paar Tagen haben wir auf der EUPRIO-Konferenz in Göteborg auch genau darüber viel diskutiert. Ich habe das dort in meinem Beitrag als „Social Contract“ thematisiert, also eine At Vertrag zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Ob dieser Vertrag wirklich erfüllt oder nicht sogar längst gebrochen wurde — im professionalisierten und mediatisierten Tagesgeschäft — da habe ich doch starke Zweifel.
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Alex Gerber, innokomm
13. September 2012
Danke für die umfassende Diagnose und die Therapieempfehlungen, lieber Kollege. Nun müssen wir mit der Behandlung endlich auch wirklich beginnen!
Denn dass uns allein die Beschreibung des Zustands nicht näher an die Lösung heranbringt, ist insofern problematisch, weil bei den Praktikern der Wissenschaftskommunikation zwar das Bewusstsein über den hier beschriebenen Paradigmenwechsel längst vorhanden ist, die Umsetzung dessen aber oft an internen Widerständen, systemischen Barrieren, mangelnden Ressourcen oder schlichtweg technischen Kompetenzen scheitert.
Wichtig wäre es vor allem, die „Professionalität“ aus These 4 genauer zu beschreiben, da diese oft missverstanden wird als Mediatisierung. So sinnvoll Interviewtrainings und Schreibworkshops für Forscher im Einzelfall auch sein mögen (wir bieten sie deshalb ja selbst auch an in unserer Akademie, allerdings nur am Rande) – die eigentliche Herausforderung, wie sie auch die 30 Delphi-Experten in der Trendstudie (http://stifterverband.de/wk-trends)beschrieben haben, liegt im Management (!) der Kommunikation, weshalb wir auch genau dies dieses Jahr zum Thema der Jahrestagung beim Bundesverband Hochschulkommunikation gemacht haben. Auch beim Forum Wissenschaftskommunikation bieten wir eigens hierzu eine Session an („Governance“). Dies geht wohl auch stark in Richtung Ihrer 9. These – der Rollenfrage.
Für These 6, dass die Qualität der Kommunikation in Deutschland geringer sei als in anderen Ländern, kenne ich keine empirischen Belege und würde sogar das Gegenteil behaupten. In EU-27 stehen wir mit Sicherheit auf dem Siegertreppchen der Qualität. Beim Einsatz bestimmter Werkzeuge und der systemischen Voraussetzungen für bestimmte längst überfällige hinkt der gesamte Kontinent den Entwicklungen in Asien und den USA hinterher, was in der Tat dringend angegangen werden muss.
These 7 habe ich bekanntlich vor einem Jahr noch genauso vertreten, und eine Erwiderung darauf ist sozusagen leider gleichbedeutend mit Eigenwerbung, denn seit dem Frühjahr gibt es ja gerade für die „neuen“ Fortbildungsbedarfe (Dialogformate, Governance, Citizen Science etc.) eine Akademie, die im zweiten Halbjahr 2012 weit über 100 Schulungen anbietet (http://innokomm.eu/Akademie). Einen gewissen Beitrag, um diesen Bedarf (These 7) zu bedienen, haben wir also schon geleistet, denke ich. Ein absoluter Mangel besteht in der Tat in Bachelor- und Master-Angeboten der Hochschulen, denn außer dem berufsbegleitenden Master zu „Wissenschaftsmarketing“ an der TU Berlin (den ich sehr parteiisch als Dozent und trotz der nicht ganz unerheblichen Studiengebühren sehr empfehlen kann) sowie einem (leider kaum nachgefragten) Master zu Wissenschaftskommunikation in Bremen ist die Grundqualifikation ja Mangelware hierzulande. Hier ist definitiv eine Lücke, auf die Kollege Korbmann sehr zu Recht hinweist. Spannend sind die Entwicklungen in NRW, wo man künftig auf eine internationale, englischsprachige Ausbildung in „Science Communication“ setzen wird und den Absolventen somit beruflich auch das gesamte Brüsseler Universum erschließt. Im Wintersemester habe ich dort auf Anhieb schon gut zwei Dutzend Studenten. Auf die weitere Entwicklung kann man also gespannt sein.
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