Wo lernt man Wissenschaftskommunikation? – Auf die Psychologie kommt es an

Posted on 18. Februar 2015

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Das Puzzle im eigenen Kopf - Psychologie  ist die Grundlage der Kommunikation. (Foto: M.Berger/Pixelio

Das Puzzle im eigenen Kopf – Psychologie ist die Grundlage der Kommunikation. (Foto: M.Berger/Pixelio

Was wird Wissenschaftlern nicht alles empfohlen, damit sie besser kommunizieren: Sie sollen schreiben lernen, sogar spezifisch für Zeitschriften oder für Webseiten. Sie sollen sich die Gesellschaft anschauen und wie sie funktioniert. Sie sollen die Medienwelt kennenlernen mit all ihren geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen. Sie sollen Kurse machen für besseres Reden und für ordentliche Interviews. Und, und, und… Alles richtig, und ich nehme mich von solchen guten Ratschlägen gar nicht aus. Doch dann kommt ein Psychologe und straft all diese guten Empfehlungen Lügen: Nicht in die Ferne schweifen, nicht nur die Welten der anderen kennenlernen und analysieren – wenn Ihr Wissenschaftler gute Kommunikation lernen wollt, so sagt er, dann müsst ihr in Euren eigenen Köpfen nachschauen, Euch bewusst machen, was dort einmal passiert ist.

Klingt spannend und vor allem: enorm logisch, wenn man Rainer Bromme folgt, dem Professor für Pädagogische Psychologie an der Universität Münster. Er hat in den Masterstudiengang Psychologie ein Modul „Wissenschaftskommunikation“ eingebaut. Sein Ziel dabei:Die Studenten und künftigen Wissenschaftler und Akademiker müssen ihr Leben lang kommunizieren, über die Inhalte ihres Berufes oder ihrer Forschungen. Zugleich aber ist nach seiner Meinung gute Wissenschaftskommunikation auch eine Voraussetzung für lebenslanges Lernen nach dem Studium. Und wenn, was bald der Fall ist, über die Hälfte der Schulabgänger studieren, dann sind diese Akademiker während und nach ihrem Studium eine wichtige Zielgruppe für die Wissenschaftskommunikation.

Für den Psychologen Prof. Rainer Bromme ist  Wissenschaftskommunikation die Basis für lebenslanges Lernen.

Für den Psychologen Prof. Rainer Bromme ist
Wissenschaftskommunikation die Basis für lebenslanges Lernen.

Das Entscheidende an Brommes Modul „Wissenschaftskommunikation“ aber ist aus meiner Sicht: Er stößt mit dem Fokus Psychologie mitten in den Kern gut funktionierender Kommunikation zwischen Menschen: die Psyche. Medienwissen, Sprache und Stilistik, Kenntnisse zu Politik und Gesellschaft oder Auftreten und Sprechen – das sind Sekundärkenntnisse, die notwendig sein mögen, aber wirkungslos bleiben, wenn wir nicht das Wichtigste verstehen: die Psychologie der Menschen. Wie lässt sich Aufmerksamkeit generieren? Wie lassen sich Schwellen überwinden? Was gehört alles zur Vertrauensbildung? Wie entstehen Ängste, Ablehnung, Protest? Welche Rolle spielen individuelle Wertvorstellungen? Und wie lassen sich Emotionen überwinden oder im besten Fall sogar einbinden? Oder auch ganz pragmatisch: Wie ticken Journalisten, wie Lehrer, wie Wutbürger oder wie Politiker? Es geht bei Kommunikation um Menschen, von denen jeder individuell, aber dennoch nach bestimmten Regeln seiner eigenen Psyche auf Informationen und Reize reagiert.

Prof. Bromme will diese Fragen seinen Studenten bewusst machen und ihnen Ansätze für Lösungen mit auf den Weg geben. Sein Ansatz dazu ist so pragmatisch und unwissenschaftlich, wie einfach und einleuchtend: Er versucht, die Masterstudenten daran zu erinnern, was in ihren Köpfen passierte, als sie – durch ihr Studium – vom Laien zum Experten wurden. Denn jeder Wissenschaftler war einmal Nicht-Wissenschaftler, mindestens bis zu dem Moment, als er sein Studium begann. Ein wichtiger Lehrsatz, den man ganz allgemein jedem Wissenschaftler ins Stammbuch schreiben sollte. Sich bewußt zu machen, was damals für ihn wichtig war, welche Prioritäten er gesetzt hat, welche Bewertungen er nach welchen Kriterien gefällt hat, was bei ihm über Vertrauen entschied, wie wichtig ihm Fakten waren, wie weit er sich durch Emotionen bestimmen ließ, wie schnell er Zustimmung und Ablehnung veteilte, was ihn gefesselt hat, was ihn gleichgültig ließ – wer das kann, der hat den wichtigsten Schritt zur gelungenen Kommunikation geschafft: Einfühlen in die Situation und in die Persönlichkeit seines Gegenübers. Und diese Fähigkeit geht ein Leben lang nicht mehr verloren.

Folie aus dem Studien-Modul - Nur eine Stimme aus dem dissonanten Chor der Wissenschaft.

Folie aus dem Studien-Modul – Nur eine Stimme aus dem dissonanten Chor der Wissenschaft.

Dabei konzentriert sich Prof. Bromme in seinem Studienmodul gar nicht so sehr auf die Psychologie der Kommunikation, denn die wird in anderen Vorlesungen des Masterstudiengangs behandelt. Ihm geht es darum, dass seine Studenten Wissenschaft nicht nur als Erkenntnisprozess, sondern auch als soziales Phänomen verstehen. So wenig wie Menschen eindimensional sind, sondern zugleich ein biologisches System, ein soziales System und ein System zur Informationsverarbeitung, so wenig ist es Wissenschaft, die von Menschen gemacht wird: „Wissenschaft ist eine kognitive und manchmal auch emotionale Aktivität“, sagt er. Andere Lehrziele sind Dinge, wie dass wissenschaftliche Evidenz prinzipiell vorläufig ist, oder dass wissenschaftliche Fakten keineswegs „Wirklichkeiten“ sind, sondern dass sie auf Vereinbarungen der Beteiligten untereinander beruhen, wann etwas „wahr“ ist, etwa die bekannte Fünf-Prozent-Regel für die statistische Signifikanz. Vor allem auch stellt prof. Bromme seinen Studenten als kooperative Arbeit dar, wo also Kommunikation eine entscheidende Rolle spielt. Und schließlich vergisst Rainer Bromme die Berufsperspektive seiner Studenten nicht. Für ihn ist Wissenschaft, nach dem Philosophen Jürgen Mittelstraß, „auch eine ‚Lebensform‘, und sie macht (meistens) Spaß.“ Auch diese Betrachtungsweisenn wären manchmal gut, den Wissenschaftlern immer wieder einmal in Erinnerung zu rufen, wenn sie zu sehr glauben, mit ihren Erkenntnissen die „Wahrheit“ in den Händen zu halten.

Natürlich hat es Prof. Bromme relativ leicht, wenn er seine Studenten daran erinnert, was in ihren Köpfen vorging als sie sich vom Laien zum Experten gewandelt haben. Sie sind jung genug und maximal ein paar Jahre von dem Stadium des Nicht-Wissenschaftlers entfernt. Forschungssprecher haben es da sehr viel schwerer, ihre Wissenschaftler an die Gedanken und Gefühle als Nicht-Wissenschaftler zu erinnern: Nicht nur dass bei erfolgreichen Wissenschaftlern sehr viel mehr Zeit vergangen ist, sie werden auch durch ihr soziales Umfeld – die Forscherkollegen – und durch ihre kleinen und größeren Erfolge ständig in ihrem Verhalten als Spezialisten bestärkt. Dennoch: Diese Überzeugungsarbeit müssen Forschungssprecher wohl oder übel immer wieder leisten, wenn es um die bestmögliche Wissenschaftskommunikationb geht (das kann sogarSpaß machen).

Ein Wunschtraum: Mehr Psychologie für die Wissenschaftskommunikation - Denn auf die Köpfe kommt es an.

Ein Wunschtraum: Mehr Psychologie für die Wissenschaftskommunikation – Denn auf die Köpfe kommt es an.

Ideal wäre es, wenn in alle Studiengänge, nicht nur der Psychologen in Münster, solche Lehrmodule in Kommunikationspsychologie aufgenommen würden. Wer einmal die Rolle der Wissenschaft und die Veränderungen im eigenen Kopf verstanden hat, wird nicht vergessen, wie schwierig es ist, andere Menschen zu erreichen, gleichgültig ob man sie gewinnen kann, ob sie daran gar kein Interesse haben oder dies sogar ablehnen. Und derjenige wird sehr viel besser verstehen, dass er dazu gut die Unterstützung von Kommunikationsfachleuten brauchen kann, eben Forschungssprecher.

Da so ein Modul für alle Studenten wohl ein Traum bleibt, wäre es vielleicht eine Aufgabe für Fortbildungseinrichtungen. Ich denke da an das Nawik, das Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation in Karlsruhe. Viel wichtiger als Schreib- und Präsentationskurse fände ich für so diese Fortbildungseinrichtung für Studenten und Wissenschaftler, Kernkurse in Kommunikationspsychologie oder auch zur sozialen Rolle der Wissenschaft in ihr Programm aufzunehmen. Ein Kurs „Wissenschaft als sozialer Prozess“ oder „Wie Kommunikation funktioniert“ könnte den praxisorientierten Kursen für gutes Schreiben oder Präsentieren ein sinnvolles Fundament geben.

Andererseits aber bin ich aber auch der Meinung, dass auch wir Wissenschaftskommunikatoren viel von den Psychologen in Münster lernen können, denn das Einfühlen in die unterschiedlichen Zielgruppen ist eine Kernkompetenz, zu der man nie genug wissen kann. Wer eine gute Ausbildung in Wissenschaftskommunikation sucht, für den bieten die Psychologen in Münster wertvolle Grundlagen. Doch wer dies als Beruf wählt, für den bietet die Psychologie allein zu wenig Handwerkszeug für die tägliche Praxis. Da gewinnen die Sekundärkenntnisse, angefangen von der Medienlandschaft bis hin zu Managementfragen, ihre Bedeutung. All das, was Rainer Bromme dazu bietet, ist notwendigerweise zu oberflächlich, um als Rüstzeug zu dienen. Das Beispiel Münster zeigt aber, dass bislang die Psychologie in der Wissenschaftskommunikation absolut unterbewertet behandelt wird.

Noch eine Schlussbemerkung für die Teilnehmer des 7. Forums Wissenschaftskommunikation im letzten Dezember: Dies ist der Bericht über einen Vortrag von Prof. Rainer Bromme in Potsdam. Das ist zwar schon über zwei Monate her, aber es war so viel los, dass ich nicht vorher dazu gekommen bin. Und das Thema fand ich so grundsätzlich und wichtig, dass es für mich heute noch genauso berichtenswert  ist, wie zum Zeitpunkt des Vortrags. Sorry an alle, für die ich Eulen nach Athen getragen habe.