Die Forschungssprecher des Jahres 2014 sind gewählt. Rund 700 Medizin- und Wissenschaftsjournalisten in Deutschland, Österreich und der Schweiz waren von der Redaktion der Zeitschrift „Medizin&Wissenschaftsjournalist“ und diesem Blog „Wissenschaft kommuniziert“ aufgerufen, die besten Sprecher in Hochschulen, Forschungsinstituten, Organisationen und Wirtschaft zu beurteilen. Hier exklusiv die Ergebnisse. Die Sieger sind: Forschungssprecherin 2014 in der Kategorie Hochschulen und Forschungsinstitute: Monika Landgraf vom KIT in Karlsruhe; Forschungssprecher 2014 in der Kategorie Forschungsorganisationen und Stiftungen: Christian Walther von der Leibniz-Gemeinschaft; Forschungssprecher 2014 in der Kategorie Industrie und andere Unternehmen: Dr. Rolf Hömke vom Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (VFA).
Zum siebten Mal haben in diesem Jahr Wissenschaftsjournalisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die besten Forschungssprecher des Jahres gewählt. Zur Wahl stand eine Vorschlagsliste der Redaktion und aus Anregungen der letzten Jahre, alles Kollegen, die heute das komplexe Feld Kommunikation für Wissenschaft beherrschen, die als Sparingspartner, Kommunikationsmanager und Berater den Wissenschaftlern zur Seite stehen, wenn es gilt, mit den übrigen Bereichen unserer sich rasant entwickelnden Gesellschaft zu kommunizieren, Wissen zu liefern, das eigene Tun transparent zu machen, Entwicklungen zu erkennen.
Es gab in diesem Jahr im Web gelegentlich Diskussionen darum, wie man diese Tätigkeit am besten bezeichnet. Wisenschaftskommunikatoren? (das geht im Englischen, im Deutschen aber sprachlich furchtbar) Wissenschafts-PR? (die Aufgabe geht weit über PR hinaus) Pressesprecher? (das wird den geforderten Qualifikationen nicht gerecht). Wir bevorzugen: Forschungssprecher. Denn sie sprechen oder lassen für die Forschung sprechen – oder ganz pragmatisch: Sie sind das Pendant zu den Unternehmenssprechern, die seit vielen Jahren in der Wirtschaft die Kommunikation managen.
Die Sieger: Professionalität in der Wissenschaftskommunikation
Die besten Forschungssprecher 2014 sind gewählt. Sie haben sich nach Ansicht der Kollegen ausgezeichnet durch professionellen Umgang mit den Notwendigkeiten der Kommunikation und den Besonderheiten des Wissenschaftssystems, durch journalistisches Denken in Aktualität, Sprache, Geschichten, Hintergrundinformationen. Sie waren den Journalisten gute Partner durch Verständnis für die journalistischen Notwendigkeiten, und sie machten der Forschung alle Ehre durch das Niveau der Informationen, das sie vermittelten.
Die Sieger dieser Wahl sind hervorragende Vertreter professioneller Wissenschaftskommunikation:
Monika Landgraf, Pressesprecherin des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), kam auf dem ungewöhnlichen Weg über den Hörfunk zur Wissenschaftskommunikation. Nach Studium Diplom-Journalistik, Tätigkeit als freier Journalistin und bei der Bayerischen Landesmedienanstalt ist sie seit sieben Jahren, zunächst als Pressereferentin der Technischen Universität, ein Jahr nach Gründung des KIT (als Zusammenschluss der TU und des Karlsruher großforschungszentrums) übernahm sie 2011 die Leitung der Pressestelle. Ihr geht es vor allem um den Dialog der Wissenschaft mit der Gesellschaft und sie versteht ihre Arbeit als Vermittlung zwischen beiden: „Je ein Fuß in beiden Welten“ – ohne sich dabei zwischen die Stühle zu setzen.
Auch Christian Walther, heute Referatsleiter Kommunikation und Pressesprecher der Leibniz-Gemeinschaft, kommt aus dem Journalismus. Er hat allerdings bereits vor der Leibniz-Gemeinschaft umfangreiche Erfahrungen in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gesammelt. Nach einem Studium der Politischen Wissenschaften und Reportertätigkeit für das SFB-Fernsehen, übernahm er 1992 die Leitung der Prese- und Öffentlichkeitsarbeit der Freien Universität Berlin. Nach vier Jahren ging er zurück in den Journalismus, lernte dann aber als Pressesprecher des Berliner Wissenschaftssenators das heiße Parkett der politischen Öffentlichkeitsarbeit kennen. 2012 übernahm er dann die Kommunikation der Leibniz-Gemeinschaft. Er versteht Wissenschaftskommunikation als zweiseitige Aufgabe: Einerseits Wissenschaft zu vermitteln, andererseits aber auch den Ansprüchen der Öffentlichkeit gerecht zu werden.
Seine Position scheint übrigens ein Sprungbrett für den Titel des „Forschungssprecher des Jahres“ zu sein: Sein Vorgänger im Amt, Josef Zens, wurde 2010 gewählt.
Dr. Rolf Hömke, Sprecher Wissenschaftspresse des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller ist als einziger der drei Forschungssprecher dieses Jahres ein Vollblut-PR-Profi. Nach dem Studium von Biologie und Biochemie volontierte er bei einer großen internationalen Kommunikations-Agentur, betreute danach beim Pharmakonzern Aventis die Pressearbeit für Forschung und Medizin, bevor er 2002 beim Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (VFA), der Interessenvertretung von 45 forschenden Pharmaproduzenten, die Rolle des Sprechers für Forschung und Wissenschaft übernahm. Daneben vertritt er auch die Paul-Martini-Stiftung, die junge Wissenschaftler in der klinischen Pharmakologie fördert. Leitmotiv für seine Arbeit ist ihm, die ungezählten Menschen darzustellen und ihre Arbeit zu würdigen, die an Pharmaforschung mitwirken, vom Wissenschaftler bis zum Tierpfleger.
Auch dieses Jahr wieder: Die online-Wahl
Gleichzeitig mit der Wahl durch 700 persönlich angeschriebene Kollegen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gab es auch in diesem Jahr wieder eine offene Wahl im Internet. Jeder konnte sich daran beteiligen. Die Ergebnisse weichen von der offiziellen, persönlichen Befragung ab, auch weil das anonyme Internet immer wieder zu Abstimmungskampagnen verführt. Doch das lässt sich relativ leicht filtern, nicht absolut sicher, aber es geht. Wenn man dies tut, sind die Resultate einleuchtend, oft nur wenige Plätze von der persönlichen Befragung entfernt.
Die Sieger der Online-Wahl zu den Pressesprechern des Jahres 2014:
Rudolf-Werner Dreier, Leiter der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit der Universität Freiburg, war 2012 Forschungssprecher des Jahres in der Kategorie Hochschulen und Forschungsinstitute, jetzt wurde er online zum besten seiner Zunft gewählt (lag auch in der offiziellen Wahl ziemlich weit vorn).
Dr. Kathrin Rübberdt, Leiterin der Pressestelle bei der DECHEMA/ACHEMA in Frankfurt dagegen ist eine Online-Entdeckung. Sie siegte online in der KategorieForschungsorganisationen und Stiftungen. Ihre Arbeit ist analytisch und professionell, sie fiel auch durch einige anregende Referate zur Wissenschaftskommunikation bei Tagungen auf, als Publikumsliebling der Wissenschaftsjournalisten gilt sie eher nicht: Bei der persönlichen Befragung landete sie eher im vorderen Mittelfeld. Bemerkenswert.
In der Kategorie Industrie und andere Unternehmen der online-Wahl siegte Christian Böhme, Corporate Media Relations Innovation und Forschung der BASF, bereits 2012 offizieller Forschungssprecher des Jahres. Auch in der persönlichen Umfrage war er in der Spitzengruppe. Da auch schon einmal die Vorgängerin von Böhme, Tomke Prey 2008 als Forschungssprecherin ausgezeichnet wurde, wird hier das große Engagement von BASF in der industriellen Forschungskommunikation deutlich.
So wurden sie gewählt:
„Wer sind die besten Forschungs-Pressesprecher?“ So lautete die Frage, die der „Medizin& Wissenschaftsjournalist“ rund 700 Kollegen in Deutschland, Österreich und der Schweiz per Mail gestellt hat. Dabei sollten folgende vier Kriterien ausschlaggebend sein:
- Professionalität
- Journalistische Fähigkeiten
- Verständnis für die journalistischen Notwendigkeiten
- Niveau der vermittelten Informationen
Es sollten auch nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden. Daher wurde die Welt der Wissenschaftskommunikation in drei Kategorien eingeteilt:
- Forschungsinstitute und Hochschulen
- Forschungsorganisationen und Stiftungen
- Industrie und andere Unternehmen
Rund 60 Forschungs-Pressesprecher und -sprecherinnen in diesen Kategorien wurden als mögliche Kandidaten genannt. Jeder dem jeweiligen Kollegen bekannte Pressesprecher sollte nach dem deutschen Schulnotensystem bewertet werden. Den Ausschlag gab die Durchschnittsnote – also unabhängig von der Häufigkeit der Nennung, allerdings mit Mindestquorum, damit nicht Einzelstimmen zu Ausreißern führen. Die Sieger des Vorjahres standen in diesem Jahr nicht wieder zur Wahl.
Reiner Korbmann
21. Oktober 2014
Eine Einordnung: Wo steht Wissenschaftskommunikation?
Betrachten wir es doch einmal anders herum: Ohne Kommunikation wäre Wissenschaft keine „Wissen-schafft“. Erkenntnisse, die im Kopf nur eines Menschen stecken, sind flüchtig. Erst durch Kommunikation werden sie dauerhaft zum Wissen der Menschheit. Und dies ist der eigentliche Sinn von Forschung (der im umständlichen deutschen Wort „Wissenschaft“ viel schöner beschrieben ist, als etwa im englischen „science“).
Daher auch hat Kommunikation schon immer eine bedeutende Rolle für die Wissenschaft gespielt. Einstmals dienten Bücher dazu, dicke Folianten, die von Kollegen gelesen und deren Inhalte ihren Schülern und Studenten in Jahren und Jahrzehnten weitergegeben wurden. Oder Vorträge in den Akademien oder Gespräche mit dem Fürsten, der alles finanzierte.
Die Zeiten haben sich geändert. Unsere Gesellschaft hat sich demonkratisiert und internationalisiert, die Interessen sind vielfältig, Fürsten sind durch Abgeordnete, Beamte, Wähler abgelöst, die entscheiden, ja sogar mitreden wollen. Die Kollegen aus der eigenen und fremden Disziplinen sind international verteilt und die Zeit wird nicht mehr nach Monaten, sondern nach Tagen und Stunden eingeteilt. Die Medien sind so vielfältig und ihre Reichweite ist separiert in unzählige Zielgruppen, die sie erreichen. Hinzu kommt eine Kakophonie von überbordenden Informationen, die sich alle für wichtig halten und wahrgenommen werden wollen, oder die wichtig gemacht werden, um Wirkung zu erzielen. Ganz abgesehen von der Geschwindigkeit, mit der sich Neuigkeiten heute rund um den Erdball verbreiten. Da genügt es nicht mehr, um Wissen zu schaffen, ein Buch zu schreiben, das von wenigen Menschen erworben und von noch weniger gelesen und verstanden wird, ansonsten aber in Bibliotheken verstaubt.
Kommunikation ist komplex geworden. Sie muss die Inhalte, aber auch die Medientechniken beherrschen, die Psychologie der Rezipienten und der Vermittler, die aktuellen Strömungen in der Gesellschaft und die Gewohnheiten der Zielgruppen; sie muss das Umfeld der konkurrierenden Informationen betrachten und die Wahrnehmungsschwellen der Empfänger, die Relevanz für die Gesellschaft und für Einzelinteressen und, und, und…
Viel zu viel, als dass dies jeder Wissenschaftler auch noch beherrschen kann, quasi nebenher (einige Naturtalente gibt es immer). Kommunikation für die Wissenschaft braucht professionelle Kommunikatoren.
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