Zugegeben, diskutiert wurde viel und heftig, mehr und besser als früher. Zugegeben, die Vorträge waren informativ, auf einer Ebene, die weit über das früher übliche „Best Practice“ hinausging – da konnte man etwas lernen. Zugegeben, die Atmosphäre der Begegnung war hervorragend, die Tagungsorganistion und –infrastruktur bestens. Und dennoch hat in Potsdam das „7. Forum Wissenschaftskommunikation“ von „Wissenschaft im Dialog (WiD)“ die Erwartungen nicht erfüllt, die es selbst geweckt hatte. Hier eine kurze Bilanz und Berichte, von den dennoch interessanten Diskussionen und Vorträgen dieses größten Treffens der Wissenschaftskommunikation in Deutschland. (Da wir in Potsdam gehört haben, dass es selbst in den USA keine ähnliche Veranstaltung gibt, eventuell sogar ganz einzigartig?)
Fangen wir bei den schlechten Nachrichten an, um mit dem Positiven aufzuhören. „Akteure und Rollen in der Wissenschaftskommuniation“ versprach das Thema des diesjährigen Forums. Doch die Zahl der Akteure blieb begrenzt. Natürlich waren da die Forschungssprecher (oder Wissenschaftskommunikatoren, wie sie hier durchgehend benannt wurden). Insgesamt über 580 an der Zahl – beeindruckend. Ein Politiker ließ sich blicken und hinterließ einen guten Eindruck. Und dann waren da als Akteure die Wissenschaftsjournalisten: Gleich drei Diskussionen, die für die Zuhörer spannend, zum Teil heftig und emotional geführt wurden, drehten sich um die Rollenverteilung von Wissenschaftskommunikatoren und Wissenschaftsjournalisten („Wer spricht für die Wissenschaft?“, „Gaubwürdigkeit und Werte in der Wissenschaftskommunikation“, „Corporate Publishing und die Krise des Wissenschaftsjournalismus“).
Tatsächlich, darüber wurde viel gesprochen: die Krise des Wissenschaftsjournalismus (die mir als langjährigem und begeisterten Wissenschaftsjournalisten furchtbar zu Herzen geht, aber dennoch schaue ich den Tatsachen ins Auge). Die Krise, das ist zunächst eine materielle – die Redaktionen werden angesichts der Erlösprobleme im Verlagswesen drastisch gekürzt, in den USA ist die Zahl der Zeitungen mit eigenen Wissenschaftsredaktionen seit 1989 von 96 auf rund 20 geschrumpft – entsprechend sind Arbeitsplätze weggefallen und Aufträge für Freie Journalisten – in Deutschland sieht es nicht viel besser aus.
Die Krise, das ist vor allem aber auch eine Krise der Bedeutung: Wissenschaftsjournalisten haben durch die Publikationsmöglichkeiten im Internet und Web 2.0 ihre Rolle als exklusive Gatekeeper an der Schnittstelle von Wissenschaft und Öffentlichkeit verloren. Jeder Forscher, jedes Institut kann sich mittels Blog, E-Mail, Facebook oder Twitter an jede von ihm angepeilte Zielgruppe wenden, Wissenschaftsinstitutionen schaffen das sogar professionell. Bei großen Wissenschaftsereignissen (siehe Ebola) kümmern sich mehr und mehr die politischen Journalisten um die Berichterstattung (irgendjemand muss es ja tun, wenn es keinen Wissenschaftsspezialisten mehr gibt).
Die Folge der Situation: Die Wissenschaftsjournalisten kämpfen, zum Teil sogar ums Überleben, suchen neue Jobs, zum Teil auch in der Wissenschaftskommunikation (was diese professionell stärkt und die Situation der verbliebenen Journalisten verschlechtert).
In Potsdam jedenfalls zeigte sich, wie sehr die Journalisten unter Druck sind. Es ist zweifellos auch richtig, wenn sich die Wissenschaftskommunikation um die Nöte einer ihrer wichtigen Zielgruppen kümmert (auch wenn die Kommunikatoren früher, vor der Krise, von den Wissenschaftsjournalisten meist gar nicht akzeptiert und respektiert wurden). Obwohl die Wissenschaftsjournalisten auf der kurz vorher beendeten „Wissenswerte“ ausreichend Gelegenheit zu Klage und Diskussion hatten. Es war auch interessant und vor allem unterhaltsam, die Diskussionen zu erleben, aber geändert hat sich am Gesamtbild nichts. Und genutzt haben diese Diskussionen den Teilnehmern eigentlich auch nichts, es sei denn, sie hätten vorher von den Problemen der Wissenschaftsjournalisten noch nichts gehört. Aber gleich drei Diskussionen?
Akteure und Rollen versprach WiD im Konferenzprogramm, aber die wichtgsten Akteure waren leider überhaupt nicht vertreten. Zum Beispiel die Journalisten, die schon heute den größeren Teil der Wissenschaftsberichterstattung in den Medien bewältigen: die Nachrichtenjournalisten, Lokal-, Regional- und Vermischtes-Redakteure, ja auch Sportredakteure (Doping!). Auch wenn das kein Wissenschaftler glauben mag, Wisenschaftsjournalisten produzieren tatsächlich den geringeren Teil der Wissenschaftsberichte in den Medien. Oder die NGOs, die Nichtregierungsorganisationen, wie sie offiziell heißen, also Interessenverbände, Bürgerorganisationen, Verbraucher- und Umweltorganisationen – wichtige Ansprechpartner, wenn die Wissenschaft mit gesellschaftlichen Perspektiven in einen Dialog eintreten will.
Und:…. Es fehlten die wichtigsten Akteure der Wissenschaftskommunikation – die Wissenschaftler. Zwar sprachen und diskutierten ein paar Kommunikations- und Sozialwissenschaftler, ja sogar ein Psychologe, der auf geschickte Weise Wissenschaftskommunikation in seinen Lehrplan eingebaut hat (davon mehr in einem eigenen Blogpost), aber die Wissenschaftler, für die Wissenschaftskommunikatoren normalerweise kommunizieren? – Fehlanzeige. So schwebte Wissenschaftskommunikation auch bei diesem Forum wieder einmal im freien Raum, die Erdung zu Ziel und Zweck der ganzen Branche und zu den Auftraggebern fand nicht statt. Dabei hatten sich Wissenschaftler in diesem Jahr ja prononciert zur Wissenschaftskommunikation geäußert, etwa die Wissenschaftsakademien. Hier hätten sie Gelegenheit gehabt, direkt mit den Kommunikationsprofis zu sprechen. Doch Fehlanzeige.
Jetzt aber zum Positiven: Eröffnet wurde das Forum durch einen Politiker, zum ersten Mal (verwunderlich angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung guter Wissenschaftskommunikation). Und obwohl es „nur“ zum Parlamentarischen Staatssekretär gereicht hat (für Journalisten normalerweise: „Ende der Berichterstattung“) fiel er auf durch eine hervorragend vorbereitete, anregende und wegweisende Rede zur Situation der Wissenschaftskommunikation. Wenn Stefan Müller tatsächlich hinter seinen Worten steht (und nicht nur den Text einen guten Referenten verlesen hat – aber es wirkte keineswegs so, sondern glaubwürdig), dann kann er zu einem großen Förderer des für die Wissenschaft in Deutschland überlebenswichtigen Felds Wissenschaftskommunikation werden (mehr dazu in meinem Thesenpapier „Kommunikation tut Not“).
Stefan Müller geißelte das geringe Interesse der Wissenschaftler für die Kommunikation, er stellte die zukunftsorientierte Bedeutung des Dialogs von Wissenschaft und Gesellschaft heraus, er nannte klar die Defizite und die Aktionsfelder. Und setzt sogar vier Prioritäten, was in der Wissenschaftskommunikation zuerst angegangen werden sollte. Ermutigend, denn so eine Rede von einem Politiker zeigt eingehende Beschäftigung und hohe Anerkennung für die Wissenschaftskommunikation.
Das zweite Highlight des Forums Wissenschaftskommunikation in Potsdam lag ebenfalls auf der Metaebene der Kommunikationspraxis: Der in Stuttgart geborene amerikanische Soziologe Prof. Dietmar Scheufele – engagiert, dynamisch, offen, „mit einem charmanten amerikanischen Akzent“ (Prof. Annette Leßmöllmann), der voller Wissen steckt und es gern mit anderen teilt (wobei er manchmal zu schnell spricht und/oder die Hände mit dem Mikrofon nicht stillhalten kann). Er bereicherte die Tagung durch seine Fakten (etwa die oben ziterten Zahlen zum Sterben der Wissenschaftsredaktionen in amerikanischen Zeitungen) und durch eine spannende These: „Die traditionellen Medien sterben aus, das Publizieren verändert sich.“ Aber: Nachrichten im Internet werden von den Lesern nicht nur kostenlos erwartet, sondern auch ganz anders aufgenommen, als in einer Zeitung oder Zeitschrift. Damit ist der Kontrollverlust total: Nicht der Wissenschaftler hat noch Einfluss, nicht der Journalist, wie eine Nachricht ankommt, sondern die Leser, die darauf im Internet reagieren (Kontrollverlust: Dies ist wohl das Schlüsselthema für die Schwierigkeiten, die viele mit dem Medium Internet und mit der Wissenschaftskommunikation haben.)
Scheufele berichtete von einer eigenen Studie, die zeigt, was passiert, wenn eine Nachricht nicht mehr isoliert in einer Zeitschrift steht, sondern „im sozialen Kontext“ im Internet, mit Leserkommentaren, Likes, Retweets, Favorisierungen oder wie die Rückkopplungen in den verschiedenen Social-Media-Kanälen alle heißen. Er verschickte einen professionell geschriebenen Artikel über „Nanosilber“ elektronisch an 300.000 Empfänger, wobei die eine Hälfte den Beitrag mit sehr derben, negativen Kommentaren zu sehen bekam, wie sie im Internet durchaus üblich sind, die andere Hälfte erhielt Kommentare, die das gleiche aussagten, aber höflich formuliert waren. Es zeigte sich, dass die Leser den Artikel als „einseitig“ beurteilten und die Technik als riskant einschätzten, wenn derbe Kommentare dabei standen, signifikant mehr als die Leser mit den höflichen Kommentaren. Das soziale Umfeld im Internet bestimmt also deutlich die Wahrnehmung eines Themas. Auch darauf muss sich Wissenschaftskommunikation einstellen, wenn sie mehr und mehr auf soziale Medien und Internet setzt.
Mein Fazit: Das Forum Wissenschafrtskommunikation ist zu einem ernsthaften Kongress der Wissenschaftskommunikation geworden. Die Themen der Vorträge und Sitzungen behandeln zum großen Teil Problemfelder der Kommunikationspraxis, gepaart mit dem notwendigen theoretischen Überbau (siehe oben). Die Best-Practice-Beispiele, die früher oft im Mittelpunkt standen, sind noch vorhanden, aber doch ein wenig zurückgetreten und thematisch gut gegliedert worden (z. B. Schule, Jubiläen, Ausstellungen, Agenturen). Es werden Perspektiven und Trends aufgezeigt und versucht, Handreichungen dafür zu geben, die jeder Forschungssprecher dann in die eigene Praxis mit einbeziehen kann.
Da ist viel am Programm gearbeitet worden. Dann schadet es auch nichts, wenn zu einem Thema erst einmal nur Hilfslosigkeit vermittelt werden kann – wir sind eben noch nicht so weit: So geschehen beim Thema Dialogische Formate, die für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation enorm wichtig sein werden. Dietram Scheufele hatte am Eröffnungstag drastisch formuliert, wie wichtig es sein wird, Wege für echte Dialoge zu finden und sie ernst zu nehmen: „Wenn ich nicht bereit bin, als Konsequenz der gesellschaftichen Meinungsbildung in schlimmster Konsequenz mein Labor zuzumachen – etwa weil die Gesellschaft meine Arbeiten nicht akzeptieren kann – dann darf ich diesen Prozess nicht Dialog nennen.“
In der Sitzung zu den Dialogischen Formaten wurden dann aber nur Beispiele geboten, wo bereits „Likes“ und „Retweets“ als dialogische Elemente zu finden waren – Dialog mit Daumen hoch? Und auch die anschließende Diskussion brachte kaum weiterführende Antworten. Fazit: Hier steht die Wissenschaftskommunikation noch ganz am Anfang (sicher aber nicht nur die Wissenschaftskommunikation), hier ist die „Science of Science Communication“ gefordert, die sich hier in Deutschland sonst eher mit Umfragen schmückt, wie gern Wissenschaftler mit Wissenschaftsjournalisten reden. Hier muss aber auch das 8. Forum Wissenschaftskommunikation weiterbohren, auch das 9. und folgende. Denn die Entwicklung der Gesellschaft zu mehr und mehr Transparenz und Partizipation erfordert mehr und mehr Dialog, nicht nur belehren und erklären der eigenen Arbeit, sondern vor allem auch ein Zuhören der Wissenschaft – und Konsequenzen daraus ziehen.
Auffällig: Durch viele Diskussionen zog sich immer wieder das Problem des Desinteresses der Wissenschaftler an der Wissenschaftskommunikation. Bestätigt durch ein unglaubliche Zahl, die DFG-Direktorin Dr. Jutta Rateike verriet: Obwohl die DFG eigens die Möglichkeit geschaffen hat, in einem Zusatzmodul zusätzliches Geld für die Kommunikation der Forschungsprojekte zu beantragen, machen nur etwa ein Prozent der Anträge davon Gebrauch (und werden fast nie abgelehnt). Ein Prozent! Dazu habe ich ja bereits Erlebtes berichtet. Dieses Problem drängt sich mehr und mehr in den Vordergrund, was zunächst einmal unverständlich erscheint: „Hey Wissenschaftler, wir wollen für euch professionell kommunizieren“ – und sie interessieren sich überhaupt nicht dafür. Für mich werden dadurch zwei Entwicklungen deutlich. Einmal das gewachsene Selbstverständnis der Wissenschaftskommunikatoren: Sie haben erkannt, dass sie nicht nur Erfüllungsgehilfen der Forscher sind, sondern etwas Wichtiges für die Wissenschaft leisten vermögen und fordern nun ein, dies auch tun zu können. Und zum zweiten – ein ganz grundsätzliches Problem: Das mangelnde gesellschaftliche Bewußtsein in der Wissenschaft.
Mit Verlaub: Das ist nicht neu, es zieht sich eigentlich durch die deutsche Wissenschaftsgeschichte, dass Wissenschaftler immer nur dann mit Nicht-Wissenschaftlern kommunizierten, wenn es um die Förderung oder um die Anerkennung ihrer Arbeiten ging. Als die Welt dann demokratisch wurde, haben sie dafür sogar den Elfenbeinturm eingerissen. Aber ging die Öffnung der Wissenschaft zur Gesellschaft tatsächlich sehr viel weiter? Leben die Professoren etwa schon wieder in einem „Elfenbeinturm 2.0“? Es ist eine große Aufgabe, daran etwas zu ändern. Daran müssen Wissenschaftskommunikatoren, Politiker, Bürger und aufgeklärte Wissenschaftler (die es ja durchaus gibt) arbeiten. Aber es ist notwendig, wenn die Wissenschaft nicht die Privilegien verlieren will, die sie in unserer Gesellschaft hat, und die sie braucht, um ihrerseits wiederum Positives für die Gesellschaft leisten zu können.
Johanna Barnbeck
8. Juni 2015
Vielen Dank für die interessante Nachlese und hier geführte Diskussion zum letztjährigen Forum!
Mich würde sehr interessieren welche vier Prioritäten Stefan Müller für die Wissenschaftskommunikation in seiner Rede benannt hat?
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Reiner Korbmann
8. Juni 2015
Liebe Frau Barnbeck,
im O-Ton nachzulesen im Gastbeitrag von Stefan Müller in diesem Blog: Vier Thesen – Impulse für die Wissenschaftskommunikation. Viel Spaß.
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Regina Link
16. Dezember 2014
Lieber Herr Korbmann,
da Sie unseren Workshop (Das große Schweigen? Dialogformate in der Wissenschaftskommunikation) angesprochen haben, erlaube ich mir ein paar Anmerkungen: Ich teile Ihre Ansicht, dass wir bei der Dialogkommunikation in der Wissenschaft noch ganz am Anfang stehen. Von Hilflosigkeit würde ich allerdings nicht sprechen, eher von vielen Erfahrungen, noch mehr Fragezeichen und der Tatsache, dass Dialogansinnen, wie so oft in der Kommunikationsarbeit, dann am besten funktionieren, wenn sie auf einem fundierten Konzept aufbauen. Da ist sicher noch viel Luft.
Dass weder die Impulsreferenten Hannes Schlender, Marc Scheloske und ich, noch das Plenum gleich die Formel für den geglückten Dialog gefunden haben, ist daher nicht verwunderlich. Allerdings war nicht ausschließlich von „Daumen-hoch-Beispielen“ die Rede, das finde ich, mit Verlaub, unbotmäßig verknappt. Herr Scheloske plädierte dafür, den Dialog vom Kopf auf die Füße zu stellen, das heißt ihn nicht zu instrumentalisieren, sondern sich wirklich auf die Interaktionsgruppe einzulassen. (Letztendlich genau das, was Dietram Scheufele offenbar etwas drastischer formuliert hatte). Herr Schlender stellte ein Diskursformat für Schulen zum Thema Tierversuche vor, und ich selbst habe mich auch nicht nur mit „Likes“ beschäftigt, sondern, ansatzweise und basierend auf den praktischen Erfahrungen in der internen Kommunikation des KIT, mit der Frage, welche Grundprinzipien eigentlich einem gelungenen Dialog zugrunde liegen. Das kurz vorgestellte Leitbildprojekt enthielt durchaus Elemente davon. Davon ab: Auch ein „Like“ kann schon ein erster Schritt zum Kontakt sein, und es geht nicht immer gleich darum, ob Labore zu- oder aufgemacht werden. Ein erster guter Schritt ist manchmal auch schon, wenn Menschen miteinander, über welche Medien auch immer, in Kontakt kommen und Vertrauen aufbauen. Transparenz ist sicher eine gute Sache, aber nicht alles lässt sich in der Wissenschaft bis zur Neige erklären. Am Ende ist es Vertrauenssache, und hier liegt der meiner Meinung nach noch viel dickere Hund begraben, nämlich ob wir in einer immer komplexer werdenden Welt, die uns mit Informationswellen überrollt, unseren Fachleuten und Lotsen, ob nun Journalisten,Wissenschaftler oder Kommunikatoren, überhaupt trauen (können). Ein Letztes: Was die heutzutage so oft beschworene Partizipation oder Teilhabe betrifft, so scheint mir der Wunsch danach manchmal auch ein frommer zu sein. Ich frage mich zuzeiten, ob überhaupt alle mitreden/teilhaben wollen und dies nicht beide Seiten, Wissenschaft wie Öffentlichkeit, von Fall zu Fall auch gnadenlos überfordern kann.
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Reiner Korbmann
16. Dezember 2014
Liebe Frau Link,
die Bewertung der präsentierten Dialogformate lasse ich einmal dahingestellt. Einig bin ich mir darin, dass derzeit der Wunsch nach – nicht nur Dialog – Partizipation alle weitgehend überfordert, nicht nur die Wissenschaft, auch die Politik und die Gesellschaft (mit den vorhandenen Instrumenten). Beispiel ist da für mich Stuttgart 21, das sogar eine Landesregierung ihr Amt gekostet hat. Und dieses Beispiel bleibt nicht allein, im Gegenteil – nichts deutet darauf hin, dass die Entwicklung zu mehr und mehr Partizipation in unserer Gesellschaft schwächer wird (das Internet – Hauptmedium dafür- wird ja gerade erst richtig erschlossen). Und auch die Wissenschaft wird mehr und mehr gefordert (und überfordert) sein. Darauf müssen wir die Wissenschaft, wenn wir gute Kommunikatoren sein wollen, vorbereiten, da müssen wir die Antworten finden, das können nicht die Forscher.
Nicht mehr einig bin ich mit Ihnen, wenn Sie versuchen, mit allen in einen Dialog einzutreten. Es gibt in der Gesellschaft mehr und mehr Interessengruppen, die Einzelinteressen vertreten und damit zum Faktor der gesellschaftlichen Entscheidungen werden, ohne Mehrheit, ohne Mandat, ohne dass alle mitreden – aber mit großem Gewicht bei den Entscheidungen. Faszinierendes Beispiel, so schrecklich es ist, ist für mich da im Moment die Gruppe „Pegida“, erst im Oktober entstanden muss jetzt schon die Kanzlerin dazu Stellung nehmen. Wer sagt denn, dass nicht Tierversuchsgegner als nächste auftreten – und wie mit ihnen umgehen, ohne sie nicht gleich durch Verweigerung des Dialogs ins Recht zu setzen. Wissenschaft braucht Dialogformate. Die müssen nicht jeden Bürger einbeziehen, aber die gesellschaftlichen Stakeholder. Das geht eben nicht mit Facebook-Tools oder durch Gespräche mit Schülern (wie anders, als im Diskurs, will man Schüler sonst ansprechen? Das hat mit gesellschaftlichem Dialog nichts zu tun.) Deshalb meine ich, wir sind alle bislang ziemlich hilflos, was den Dialog angeht, mit den Stakeholdern der Gesellschaft hat es aber (warum nur?) bisher niemand ernsthaft versucht.
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Jens Rehländer
15. Dezember 2014
Nicht nur die DFG, auch die VolkswagenStiftung bietet ihren Geförderten die Möglichkeit, zusätzliches Geld für Öffentlichkeitsarbeit einzufordern. Die Rücklaufquote entspricht in etwa jener, die Frau Rateike benannt hat, ist also kaum messbar.
Wir Wissenschafts-PR-Leute können runterbeten, welche Vielfalt externer Einflüsse Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Kommunizieren mit der Öffentlichkeit abhalten, erst recht vom Dialog mit ihr. Die Frage ist deshalb: Wie räumt man diese Hindernisse aus dem Weg?
Zwei (Teil-)Antworten dazu: Kommunikationsabteilungen und Wissenschaft müssen sich auf Augenhöhe begegnen, mit gegenseitiger Wertschätzung und Verständnis für die Handlungsoptionen des jeweils anderen. Zweitens: Das Wissenschaftssystem muss zum Ausdruck bringen, dass die Aufforderung zum Dialog mit Laien kein Lippenbekenntnis ist – z.B. durch Belohnungs- und Anreizsysteme für kommunizierende Wissenschaftler/innen und durch die verpflichtende Absolvierung von Lehrveranstaltungen „Wissenschaftskommunikation“ während des Curriculums – so wie es der Psychologe Prof. Bromme an der Uni Münster macht und uns beim Forum in Potsdam erläutert hat.
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Reiner Korbmann
16. Dezember 2014
Lieber Herr Rehländer,
nach meiner Erfahrung ist das Argument „etwas hält mich davon ab“ nur eine andere Formulierung für „Ich setze andere Prioritäten“. So scheint das mit der Wissenschaftskommunikation und den Wissenschaftlern zu sein (eigentlich eine absurde Situation, denn Wissenschaftskommunikation soll ja gerade eine Dienstleistung für die Wissenschaftler sein, damit sie auch in Zukunft mit und in dieser Gesellschaft leben und gut arbeiten können).
Es gilt also, eine Strategie zu entwickeln, wie die Wissenschaftskommunikatoren (die endlich aufgewacht sind) die Wissenschaftler mit ins Boot holen können. Da ist ein Qualitätskodex sicher ein guter Weg, da ist Kommunikation (nicht zu verwechseln mit Medientraining!) im Curriculum der Ausbildung ein guter Weg (mit Bromme will ich mich noch in einem Blog-Beitrag beschäftigen), da ist eine gute, akademische Ausbildung der Kommunikatoren (Augenhöhe!) ein notwendiger Weg, da sind Gallionsfiguren aus der Wissenschaft ein guter Weg (vor allem Persönlichkeiten, die Kommunikation verstanden haben, nicht nur selbst – aus Naturtalent – gut praktizieren; aber seit sich Treusch zurückgezogen hat, tut sich da nicht mehr viel unter dem Bugspriet), und, und …
Das wird ein langer Weg, aber er muss bezwungen werden – und hoffentlich ebnen ihn nicht erst Kommunikations-Katastrophen. Wichtig erscheint mir, über eine Strategie nachzudenken und die Wissenschaftler, vor allem die – ja vorhandenen – bereits überzeugten, so oft es geht mit einzubeziehen. Auch schon beim entwickeln der Strategie.
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Simon Schneider
12. Dezember 2014
Nicht vergessen darf man dabei aber, dass Wissenschaftler heute unter enormen Druck stehen. Wenn Sie von Wissenschaftlern reden, die nicht bereit sind über ihre Forschung zu reden, dann hängt dies aus meiner Sicht (der Sicht eines verantwortlichen für Presse und Öffentlichkeitsarbeit eines großen Forschungsprogramms) besonders damit zusammen, dass keine Zeit für den Dialog bleibt. Viele Forscherinnen und Forscher sind gerne bereit über ihre Passion zu sprechen. Sie forschen ja meist aus eigenem Antrieb, mit größtem individuellen Engagement an einem Thema. Darüber reden Sie in der Regel auch gerne. Doch der Dialog ist zeitaufwendig. Wissenschaftskommunikation ist zeitaufwendig. Sie habe ja selbst in einem früheren Blog das Beispiel des Communicator-Preisträger Prof. Güntürkün zitiert („Der andererseits aber auch nicht jedes Fernsehteam in sein Labor lässt, denn sie beschäftigten ihn einen halben Tag, um dann zwei unzusammenhängende Halbsätze aus dem Interview herauszuschneiden und aus dem Zusammenhang gerissen zu senden.“)
Meiner Meinung nach – und so verstehe ich die Funktion des Wissenschaftskommunikators – müssen wir Kommunikationsprofis den Wissenschaftlern hier zur Hand gehen. Wir müssen den Forscherinnen und Forschern helfen, die Tools und Mechanismen der Kommunikation und des Journalismus überhaupt effizient nutzen zu können. Versetzen wir die Wissenschaftler in die Lage effektiv zu kommunizieren, dann wird auch die Tür zum Dialog geöffnet. Letztlich kann man so auch das angespannte Zeitbudget der Wissenschaftler entlasten. Und auch in den Chefetagen hat sich dies Einsicht schon durchgesetzt. Das aber auch hier ein strukturelles Problem als Hemmschuh für die Wissenschaftskommunikation genannt werden muss, liegt auf der Hand: Die Leitung großer Forschungseinrichtung verlangt heute eher nach Managern als nach Forschern. Viele verdiente Experten leiten heute Einrichtungen mit 1.000 oder mehr Mitarbeitern auf der Basis ihrer wissenschaftlichen Kompetenz – nicht ihrer Führungskompetenz. Zeigen soll dieses Beispiel, dass die Wissenschaftskommunikation sich in einer komplexen Umwelt wiederfindet, in der unterschiedlichste Wechselwirkungen Einfluss auf Qualität und Quantität der Kommunikation ausübt.
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Reiner Korbmann
12. Dezember 2014
Lieber Herr Schneider,
Sie schreiben mir aus der Seele. Ich denke, es sind nicht nur die Zeitprobleme, die es nahelegen, dass Wissenschaftler erfahrene Berater neben sich installieren,, sondern auch die Komplexität von Kommunikation (wie komplex sie ist merken wir ja oft schon im privaten Umfeld, wo sie auch oft einmal nicht klappt). Es ist legitim, wenn Wissenschaftler nicht bereit und in der Lage sind, neben ihrer komplexen Wissenschaft auch noch ein zweites komplexes Feld gekonnt zu beherrschen. Deshalb brauchen wir gut ausgebildete, professionelle Wissenschaftskommunikatoren.
Auf der anderen Seite aber sollten sie dann die Zeit finden, mit ihren Partnern zu reden. Ob es beim Forum Wissenschaftskommunikation in Potsdam an der mangelnden Bereitschaft der Wissenschaftler lag, dass sie als Gesprächspartner der Kommunikatoren nicht vertreten waren? Ich denke, es war eher ein Fehler der Programmplanung. Als alarmierend für den Willen der Wissenschaftler zur Kommunikation sehe ich aber, dass sie kaum die eigens geschaffene Möglichkeit nutzen, bei der DFG Mittel dafür einzuwerben. Nur ein Prozent tut das! Eine Aufgabe für Kommunikatoren, ihre Forscher mit der Nase darauf zu stossen und den Antrag einzufordern.
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Michael Büker (@emtiu)
11. Dezember 2014
Es gab am Dienstag um 16:15 im Raum A eine Session mit mir, @andereLampe und @JCasanellas über FameLab- und Science-Slam-Wettbewerbe. Wir haben aus der Sicht der (zumeist jungen) Wissenschaftler gesprochen, die nicht nur freiwillig, sondern auch ohne direkte Vorteile (und gelegentlich unter Inkaufnahme von Nachteilen) ihre eigene Wissenschaft für ein breites Publikum aufbereiten und auf einer Bühne vortragen – sich also nicht nur für die Wissenschaftskommunikation begeistern, sondern sie selbst betreiben. Auf dem Podium saßen übrigens vier Physiker. Sicherlich habe ich etwas falsch verstanden, wenn es heißt, genau so etwas hätte auf dem Forum nicht stattgefunden.
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Reiner Korbmann
11. Dezember 2014
Lieber Herr Büker,
Sie haben vollkommen recht, ohne Abstriche. Ich bin begeistert und bewundere die vielen jungen Wissenschaftler, die aus eigenem Antrieb (oft gegen Widerstände) zu ihrer Arbeit mit viel Mut und Ideen kommunizieren (und meistens wenig davon haben). Ich entschuldige mich bei Ihnen und all diesen Wissenschaftlern, dass ich so pauschal von „Wissenschaftlern“ geschrieben habe: Gemeint waren die Chefs, die an einem Institut das Sagen haben, die über Budgets entscheiden, die Wissenschaftskommunikatoren einstellen und sie eigenverantwortlich oder als subalterne Erfüllungsgehilfen arbeiten lassen. Das sind diejenigen, die die Verantwortung haben, letztendlich auch dafür, ob Ihnen Ihr wirklich bewundernswertes Engagement für Wissenschaftskommunikation jemals in Ihrer Karriere als Wissenschaftler etwas bringen wird. Was auch wichtig wäre.
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Michael Büker (@emtiu)
11. Dezember 2014
Dann hoffen wir doch gemeinsam, dass ein paar solcher Entscheidungsträger sich diesmal oder in naher Zukunft zum Beispiel von Nachwuchs auf der Bühne inspirieren lassen! 🙂
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