Ein Wissenschaftler wurde dazu ausgebildet, gute Forschung zu machen. Und je besser er das tut, umso begehrter sind er und seine Ideen. Zeitraubende Kongresse und Vortragsreisen entstehen daraus, Gremiensitzungen und Managementaufgaben, die oft genug seine ganze Konzentration und sein gesamtes Zeitbudget verlangen, ganz abgesehen davon, dass er meist auch noch weiter forschen möchte. Darf man da erwarten, dass er sich auch noch die Zeit nimmt, zu Twittern, zu Bloggen oder auf Facebook seine Sicht der Welt einer – noch – kleinen Gemeinde zu offenbaren?
Nein, darf man nicht…., meinte die Leiterin der DECHEMA-Öffentlichkeitsarbeit, Dr. Kathrin Rübberdt, beim 4. Forum Wissenschaftskommunikation in Köln. Ihr Thema war das geänderte Verhältnis zwischen Wissenschaftler und Forschungssprechern in Zeiten von Web 2.0. ……..vorausgesetzt aber, dass sich dieses Verhältnis grundlegend ändert. Heute betrachtet der Forscher seinen Kommunikator meist als Erfüllungsgehilfen. Seine Vorgaben, seine momentanen Interessen, stehen im Mittelpunkt, und dem Kommunikator bleibt dann „nur noch“, dies umzusetzen.
Doch in Zeiten von Internet, Sozialen Netzen, kleinteiliger Medienlandschaft und unterschiedlichsten Zielgruppen hat der Forscher weder das notwendige Wissen noch die Zeit, all die Instrumente zu beherrschen, ganz abgesehen dass ihm das Umschalten der Denk- und Sprachebenen schwerfällt und er in die Ergebnisse meist die falschen Erwartungen setzt, so Kathrin Rübbert. „Wissenschaftskommunikation ist Management, und das kann man nicht Wissenschaftlern überlassen“, provoziert sie. Natürlich ist der Wissenschaftler für die Kommunikation unverzichtbar, um Vertrauen aufzubauen und um authentische Begeisterung zu vermitteln.
Doch er sollte auch volles Vertrauen in die Professionalität seines Kommunikators als Manager setzen. Der muss die Kommunikationsabläufe organisieren, Beziehungen aufbauen, Kernaussagen erarbeiten, die Kommunikationsstrategie der Institution im Auge behalten und zugleich nicht nur den einzelnen Wissenschaftler, sondern sein ganzes Institut, die Disziplin, ja sogar das gesellschaftliche System Wissenschaft nach außen vertreten. So wird der Kommunikator in einer Arbeitsteilung mit dem Forscher zu seinem Berater und Partner in der Kommunikation. Und das funktioniert auch in Zeiten von Web 2.0. Sogar besser als früher, denn wer sagt denn, dass ein vielbeschäftigter Forscher alle Posts in seinem Blog selber ausformuliert haben muss, dass jeder Tweet aus seinem persönlichen Smartphone stammt. Unsere Welt ist arbeitsteilig, eine so komplexe Welt wie die der Kommunikation wird daher arbeitsteilig am besten bewältigt.
Voraussetzung ist allerdings, dass Wissenschaftler in ihre Forschungssprecher das Vertrauen setzen, dass sie – was Kommunikation angeht – die kompetenteren Entscheidungen fällen, dass sie seine Interessen besser vertreten als er selbst das könnte. Ganz generell fällt es Wissenschaftlern allerdings schwer anzuerkennen, dass andere etwas besser können als Wissenschaftler. In diesem Fall müssten sie dies vielleicht sogar Kommunikatoren zutrauen, die keine vollakademische Laufbahn hinter sich haben, aber ein Paket praktischer Erfahrungen.
Ich meine, das mangelnde Vertrauen in die Kommunikationskompetenz der Forschungssprecher ist eine der höchsten Hürden für eine professionelle Wissenschaftskommunikation. Denn was hilft es, wenn sie hervorragend ausgebildet sind und professionell arbeiten, wenn der Forscher sich dennoch alle Entscheidungen vorbehält, ohne die Kompetenz seines Kommunikators einzubinden. Um das zu ändern müssen wohl ganze Denkwelten bewegt werden. Ein langer Weg – bei dem es nur sinnvoll ist, heute den ersten und jeden Tag einen weiteren Schritt zu tun.
Frank Stäudner
19. Dezember 2011
Der Text gefällt mir: Stimmt haargenau. So ist es. Ich füge mal meinen Autorenbeitrag aus der FAZ-Verlagsbeilage an, der am 14.12. in die selbe Kerbe haute.
Planet Scientia
Die Wissenschaft kreist um sich selbst, Professoren verstehen die Regeln von Medien und Politik nicht. Kommunikationsexperten und Lobbying-Profis könnten helfen, wenn man sie ließe.
Lübeck war eine Ausnahme. Professoren und Studenten suchten dort im vergangenen Jahr den Schulterschluss mit den Bürgern der Stadt. Die Lübecker kämpften gemeinsam für ihre Uni und wendeten die von der Landesregierung geplante Schließung ab. Sonst schaffen es die Wissenschaftler selten, eine schlagkräftige Interessenvertretung auf die Beine zu stellen.
Die Publizisten Susanne Weiss und Michael Sonnabend ärgern sich. „Wissenschaftler reden wahnsinnig gern über Medien, die leider nicht in der Lage seien, „komplexe“ Sachverhalte angemessen darzustellen“, schreiben sie in ihrem jüngst erschienenen Buch „Schreiben – Bloggen – Präsentieren. Wege der Wissenschaft in die Welt“. Und eben dort geißeln sie auch die Alltagsüberzeugung großer Teile des Wissenschaftsbetriebs: „Die Medien sind inkompetent, und der Bürger ist unverständig.“
Doch was haben der Dünkel gegenüber den Laien und die Bauchlandungen beim Lobbying miteinander zu tun? Haben Sie überhaupt etwas miteinander zu tun? Aber ja.
Beide Phänomene teilen sich einen gemeinsamen Kern. Sie wurzeln tief in den Milieubedingungen der Wissenschaft. Vielleicht sollte man genauer sagen: der deutschen Wissenschaften. Denn den Dünkel trifft man in Natur- wie Geisteswissenschaften gleichermaßen an. Und er ist ein deutsches Phänomen. Angelsächsische Historiker finden nichts dabei, packende und griffige Sachbücher zu verfassen, die sich auch in ihrer deutschen Übersetzung blendend verkaufen. Ihre Kollegen hierzulande geben sich dagegen mit dem Diskurs unter Experten zufrieden.
Zwar engagieren sich seit über einem Jahrzehnt zunehmend Wissenschaftler für den Dialog mit Laien. Aber die Protagonisten der PUSH-Bewegung brauchen noch immer ein dickes Fell. Dem Sozialwissenschaftler, der Meinungsbeiträge in überregionalen Zeitungen schreibt, wird auf Kongressen hinterhergezischelt. Der Kollege arbeite aber sehr feuilletonistisch, heißt es. Gemeint ist: Der ist gar kein richtiger Wissenschaftler. Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf räumt ein, er sei heilfroh darüber, zuerst den Leibniz-Preis (für seine Forschung) und danach den Communicator-Preis von Stifterverband und Deutscher Forschungsgemeinschaft erhalten zu haben. So konnte der Preis für die Popularisierung der Forschung der Reputation des Wissenschaftlers Wolf nichts anhaben.
Abgesichert durch Artikel 5 des Grundgesetzes („Forschung und Lehre sind frei“) kreist die Wissenschaft um sich selbst. Was ein guter Forscher ist, entscheiden andere Forscher. Das Ansehen unter Kollegen ist die Währung im Reich der Wissenschaft. Nach ihr streben alle, denn das Urteil der Fachkollegen („Peers“) entscheidet über die Karriere. Die Prägekraft des Milieus ist enorm. Dessen Regeln sind nirgendwo aufgeschrieben, aber jeder Wissenschaftler kennt sie. Sie schreiben vor, wie wissenschaftliche Poster auszusehen haben (vollgestopft), wie Fachaufsätze verfasst werden (das Wichtigste kommt zum Schluss) oder wie Fachvorträge gehalten werden (Geisteswissenschaftler lesen ihre noch unveröffentlichten Fachartikel vor, Naturwissenschaftler zeigen Powerpointpräsentationen, deren letztes Chart der eigenen Arbeitsgruppe dankt). Etablierte Leute verstoßen selten dagegen, aufstrebende Forscher, die noch etwas werden wollen, nie.
Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Das Urteil der Gleichen ist das anerkannt beste Verfahren für die innerwissenschaftliche Steuerung. Selbstorganisation ist der Fremdbestimmung (durch Ministerialbeamte etwa) überlegen. Das Prinzip der wissenschaftlichen Selbstorganisation stößt jedoch an Grenzen, wo die Wissenschaft auf die Außenwelt trifft. Die Wissenschaft kreist so sehr um sich selber, dass die Bewohner des Planeten Scientia ihre eigenen Regeln absolut gesetzt haben. Viele Wissenschaftler begreifen nicht, dass andere Gesellschaftsbereiche eigenen Gesetzen folgen und diese Regeln sogar einen Sinn haben können. Bloß weil es im Fernsehen und in der Zeitung nicht wissenschaftlich exakt und abstrakt zugeht, sondern bunt und persönlich, sollten Wissenschaftler sich dennoch davor hüten, die Journalisten für Luftikusse oder – noch schlimmer – die eigenen Presseleute für nicht satisfaktionsfähige Unterlinge zu halten.
Richtig ins eigene Fleisch schneidet sich die Wissenschaft bei der Verteidigung der eigenen Interessen. Gute Wissenschaftler sind akribisch, ausdauernd, zurückhaltend und genau. Gute Lobbyisten sind auch mal grob, ausfallend und kneifen vor keiner Kamera. Die Chefposten der Wissenschaft sind ausnahmslos mit angesehenen Wissenschaftlern besetzt. Diese Chefs sind zugleich die wichtigsten Lobbyisten. Kein Wunder, dass das nicht gut geht. Für eine Treckerdemo sind sich die Forscher zu fein. Lieber setzen sie auf die Kraft von Denkschriften. Die Methode hat zwar im großen Philosophen Leibniz ein Vorbild. Doch schon im 17. Jahrhundert hat sie nicht funktioniert.
Was tun? Die Hohepriester des Wissens könnten das hohe Ross absatteln und auch mal einen Manager oder Politiker an die Spitze wählen, der nicht den wissenschaftlichen Stallgeruch hat. Das ist schon vorgekommen, zuletzt in Leipzig und in Berlin. Der Wissenschaft kann es nur gut tun. Vielleicht wird irgendwann sogar mal ein Journalist Unipräsident.
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K.Rübberdt
8. Dezember 2011
Ehre, wem Ehre gebührt: Das Zitat „Wissenschaftskommunikation ist Management, und das kann man nicht Wissenschaftlern überlassen.“ stammt (leider) nicht von mir, sondern von Prof. Dr. Beatrice Dernbach, Professorin für Journalistik an der Hochschule Bremen, aus der Trendstudie Wissenschaftskommunikation 2011.
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